Gott ist erstaunlich langsam - weil Liebe langsam ist.
Herzlich Willkommen zu LebensLiturgien, Staffel 6, Thema „Zeit“. Das mit der Zeit ist eine seltsame Sache: sie umgibt uns überall und bleibt doch ungreifbar. Manchmal vergeht sie quälend langsam, dann wieder viel zu schnell. Wir hätten gerne mehr von ihr – und vergeuden sie doch allzu oft. In dieser Staffel wollen wir versuchen, genau das tiefer zu verstehen und zu lernen, auf gute Weise in der Zeit zu leben.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt
und lasse es ruhig werden in mir.
Ich nehme mir Zeit und atme langsam und bewusst.
Herr über Zeit und Ewigkeit: du bist hier. Jetzt.
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Alles hat seine Zeit. Das gilt für alles, was auf der Erde geschieht.
Neues Leben hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit.
Kranksein hat seine Zeit und Gesundsein hat seine Zeit.
Weinen und Klage haben ihre Zeit, aber auch Jubel, Leichtigkeit und Freude.
Konflikte und Kriege haben ihre Zeit, aber auch Versöhnung und Friede.
Es gibt eine Zeit für Umarmung und Liebe, und eine Zeit für Loslassen und Sich-Trennen.
Es gibt eine Zeit für Rushour, Schnelligkeit und Zeitdruck, und eine Zeit für Ruhe, Durchatmen und Pausen.
Alles hat Gott so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit – sogar die Ewigkeit hat Gott dem Menschen ins Herz gelegt.
Nur dass der Mensch nicht in der Lage ist, das Werk Gottes zu begreifen: er durchschaut weder, wo es beginnt, noch wo es endet.
nach Prediger 3
Bereits 1980, also vor über 40 Jahren, schrieb der japanische Theologe Kosuke Koyama ein Buch über die Langsamkeit Gottes: „Three mile an Hour God“. In seinem Buch setzt er die langsame, bedächtige Geschwindigkeit Gottes in Kontrast zur modernen schnellen, hektischen Lebensweise im Westen. Egal wie effizienzorientiert, kurzatmig und stets ins Neue drängend wir leben: Gott handelt ruhig und langsam, geduldig und mit einem langen Atem. Gott lässt sich nicht drängen oder hetzen. In Jesus war er 30 Jahre lang sogar buchstäblich mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs.
Wir werden Gottes Handeln also nur dann erkennen und empfangen, wenn wir geduldig und demütig genug sind, um auf Gott und sein langmütiges Handeln zu warten.
„Da kam der HERR in der Wolkensäule herab, trat zu Mose, ging an ihm vorüber und sprach: »Ich bin der HERR, barmherzig, langmütig und gnädig. Meine Geduld, meine Liebe und meine Treue sind groß.“
2. Mose 34,5
Es sind vor allem Gottes Liebe und Gnade, die ihn geduldig abwarten und langsam handeln lassen. Denn Liebe und Eile vertragen sich nicht. Allzu schnelle, stürmische Liebe endet in Überwältigung und Überforderung. So wartet deshalb auch der Vater des verlorenen Sohnes im Gleichnis Jesu Tag um Tag, Woche um Woche, vielleicht sogar Jahr um Jahr. Er stürmt ihm nicht hinterher, zieht ihn nicht am Kragen wieder zurück nach Hause, sondern wartet, sehnt seinen Sohn geduldig herbei.
Wieder und wieder wird in der Bibel erzählt, wie Gott sich Zeit lässt und eine wesentliche Aufgabe des Glaubens darin liegt, auf Gott zu harren, auf Gottes Eingreifen und Bewegen zu warten. Im Jesajabuch zum Beispiel:
So spricht Gott, der Herr: „Durch Umkehr und Ruhe würdet Ihr frei, im Stillsein und Vertrauen läge neue Kraft. Doch ihr wollt nicht. Ihr sagt: 'Nein, auf Pferden wollen wir dahinfliegen!'
Jesaja 30,15f.
Psalm 27 endet mit der Aufforderung:
„Harre des HERRN! Sei getrost und unverzagt und harre des HERRN!“
Psalm 27,4
Wo will ich aktuell zu schnell zu viel – sei es von Gott, anderen Menschen oder mir selbst? Wo brauche ich mehr Geduld und Liebe?
Herr meiner Stunden und meiner Jahre, du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir. Sie war mein und sie wird mein, und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich nicht, mir mehr Zeit zu geben. Ich bitte dich aber um Weisheit und Willenskraft, dass ich meine Tage gut lebe.
Lehre mich, ein wenig Zeit freizuhalten von Ablenkung und Pflichten: ein wenig für Stille und Gebet, ein wenig für das Spiel, ein wenig für die Menschen um mich, die meine Liebe und meine Aufmerksamkeit brauchen.
Ich bitte dich um Sorgfalt, dass ich meine Zeit nicht töte, nicht vertreibe, nicht verderbe.
Jede Stunde ist wie ein Streifen Land. Ich möchte ihn aufreißen mit dem Pflug und Liebe hineinwerfen, damit Frucht wächst. Segne du meinen Tag.
nach Jörg Zink