Wie ein persönlicher Sabbat ganz praktisch aussehen kann
Herzlich Willkommen zu LebensLiturgien, Staffel 6, Thema „Zeit“. Das mit der Zeit ist eine seltsame Sache: sie umgibt uns überall und bleibt doch ungreifbar. Manchmal vergeht sie quälend langsam, dann wieder viel zu schnell. Wir hätten gerne mehr von ihr – und vergeuden sie doch allzu oft. In dieser Staffel wollen wir versuchen, genau das tiefer zu verstehen und zu lernen, auf gute Weise in der Zeit zu leben.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt
und lasse es ruhig werden in mir.
Ich nehme mir Zeit und atme langsam und bewusst.
Herr über Zeit und Ewigkeit: du bist hier. Jetzt.
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Alles hat seine Zeit. Das gilt für alles, was auf der Erde geschieht.
Neues Leben hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit.
Kranksein hat seine Zeit und Gesundsein hat seine Zeit.
Weinen und Klage haben ihre Zeit, aber auch Jubel, Leichtigkeit und Freude.
Konflikte und Kriege haben ihre Zeit, aber auch Versöhnung und Friede.
Es gibt eine Zeit für Umarmung und Liebe, und eine Zeit für Loslassen und Sich-Trennen.
Es gibt eine Zeit für Rush-Hour, Schnelligkeit und Zeitdruck, und eine Zeit für Ruhe, Durchatmen und Pausen.
Alles hat Gott so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit – sogar die Ewigkeit hat Gott dem Menschen ins Herz gelegt.
Nur dass der Mensch nicht in der Lage ist, das Werk Gottes zu begreifen: er durchschaut weder, wo es beginnt, noch wo es endet.
nach Prediger 3
Zum Abschluss dieser kleinen Mini-Serie über den Sabbat gibt es heute ein paar Gedanken, wie genau ein Sabbat denn nun aussehen kann.
Gleich zu Beginn vielleicht die Anmerkung: der Wochentag ist egal. Für Menschen mit einem normalen Arbeitsrhythmus bietet sich vermutlich der Sonntag an – da gibt es Gottesdienste, die meisten Geschäfte sind geschlossen, viele Menschen haben frei. Es ist aber auch der Samstag denkbar oder ein Tag unter der Woche, wenn man am Wochenende arbeitet.
Wer mag, kann seinen Sabbat – wie im Judentum üblich – am Vorabend mit einem gemütlichen Essen in Gemeinschaft beginnen. Ein solcher Abend könnte so aussehen: man entzündet feierlich eine Kerze, betet gemeinsam einen Psalm, erzählt reihum von Highlights der vergangenen Woche, singt ein Danklied, segnet die Kinder und genießt entspannt ein leckeres Essen. Danach dann: Schlaf. Ausführlich Zeit zum Schlafen. Denn die meisten von uns schlafen deutlich zu wenig.
Am nächsten Tag ist dann Zeit für alles, was wahr und gut und schön ist. Zuerst natürlich für Gott selbst und die Begegnung mit ihm – sei es in einem Gottesdienst, oder durch Gebet und Bibellesen oder durch ein geistliches Hörbuch. Das tun, was uns geistlich mit Gott verbindet und der eigenen Seele Lebendigkeit schenkt.
Danach sind der Fantasie und den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt: Spazierengehen, Schwimmen, Radfahren, ins Museum gehen oder sonst einen Ausflug machen, in Ruhe einen Kunstband durchblättern, bewusst und aufmerksam Musik hören oder selbst Musik machen. Ein gutes Buch lesen. Gut essen. Freunde treffen (oder ausführlich mit ihnen telefonieren), Spiele spielen, ein Lagerfeuer entzünden, ein Nickerchen machen … solche Dinge. Das ist das, was wir an einem Sabbat tun. Dinge, die uns Freude bereiten,
Worauf wir an einem Sabbat bewusst verzichten, ist Arbeit, Einkaufen, das Haus putzen, den Rasen mähen, Emails checken oder stumpf auf Netflix oder Instagram versacken, solche Dinge. Also keine Dinge, die den Geruch des Alltags in sich tragen oder die unsere Zeit eher vergeuden als vertiefen.
Denn der Sabbat will Raum schaffen für alles, was dem Inneren Ruhe verschafft und die Seele mit Freude und Frieden erfüllt. Sabbatzeit ist eine Auszeit, in der wir unsere Hand vom Pflug nehmen und Gott sich um die Dinge kümmern lassen, während wir aus der Quelle des Lebens, der Ruhe und der Freude trinken. Sabbat wird es da, wo wir uns dem aussetzen, was wahr und gut und schön ist, was unserem Leben Tiefe und Farbe verleiht. Sabbat ist der Tag bzw. die Zeit, in der wir unsere Aufmerksamkeit verschenken an jene stillen, göttlichen Kräfte der Gnade, die uns erhalten und heilen.
In der Stille spüre ich in mich hinein, ob in mir genug Sehnsucht vorhanden ist, einen solchen Tag (oder wenigstens Halbtag) zu ermöglichen, auszuprobieren und regelmäßig freizuhalten.
Herr meiner Stunden und meiner Jahre, du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir. Sie war mein und sie wird mein, und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich nicht, mir mehr Zeit zu geben. Ich bitte dich aber um Weisheit und Willenskraft, dass ich meine Tage gut lebe.
Lehre mich, ein wenig Zeit freizuhalten von Ablenkung und Pflichten: ein wenig für Stille und Gebet, ein wenig für das Spiel, ein wenig für die Menschen um mich, die meine Liebe und meine Aufmerksamkeit brauchen.
Ich bitte dich um Sorgfalt, dass ich meine Zeit nicht töte, nicht vertreibe, nicht verderbe.
Jede Stunde ist wie ein Streifen Land. Ich möchte ihn aufreißen mit dem Pflug und Liebe hineinwerfen, damit Frucht wächst. Segne du meinen Tag.
nach Jörg Zink