(Echte) Pausen entschleunigen uns und geben unserem Alltag einen Rhythmus.
Herzlich Willkommen zu LebensLiturgien, Staffel 6, Thema „Zeit“. Das mit der Zeit ist eine seltsame Sache: sie umgibt uns überall und bleibt doch ungreifbar. Manchmal vergeht sie quälend langsam, dann wieder viel zu schnell. Wir hätten gerne mehr von ihr – und vergeuden sie doch allzu oft. In dieser Staffel wollen wir versuchen, genau das tiefer zu verstehen und zu lernen, auf gute Weise in der Zeit zu leben.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt
und lasse es ruhig werden in mir.
Ich nehme mir Zeit und atme langsam und bewusst.
Herr über Zeit und Ewigkeit: du bist hier. Jetzt.
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Alles hat seine Zeit. Das gilt für alles, was auf der Erde geschieht.
Neues Leben hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit.
Kranksein hat seine Zeit und Gesundsein hat seine Zeit.
Weinen und Klage haben ihre Zeit, aber auch Jubel, Leichtigkeit und Freude.
Konflikte und Kriege haben ihre Zeit, aber auch Versöhnung und Friede.
Es gibt eine Zeit für Umarmung und Liebe, und eine Zeit für Loslassen und Sich-Trennen.
Es gibt eine Zeit für Rush-Hour, Schnelligkeit und Zeitdruck, und eine Zeit für Ruhe, Durchatmen und Pausen.
Alles hat Gott so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit – sogar die Ewigkeit hat Gott dem Menschen ins Herz gelegt.
Nur dass der Mensch nicht in der Lage ist, das Werk Gottes zu begreifen: er durchschaut weder, wo es beginnt, noch wo es endet.
nach Prediger 3
Noch einmal das Zitat von John Mark Comer aus letzter Folge:
„Was ein Spalier für den Weinstock ist, ist eine Lebensregel für dein ‚Bleiben in Jesus‘. Sie ist eine Struktur – in diesem Fall ein Zeitplan und eine Reihe von Praktiken –, um das Bleiben als wichtigstes Anliegen in deinem Leben zu verankern. Sie kann dir helfen, dein ganzes Leben so zu strukturieren, dass die Einübung in die Gegenwart Gottes im Zentrum steht bei allem, was du tust – ob du arbeitest, ruhst, spielst, (…) Besorgungen machst oder Nachrichten liest.“
Genau um ein solches Spalier, um heilige und heilsame Gewohnheiten und Rhythmen in unserem Leben soll es in den kommenden Folgen gehen. Und wir beginnen mit dem schönen Thema Pausen. In den Lebenswelten traditioneller Gesellschaften finden sich jede Menge Zwischenräume und Zwischenzeiten, die für Abstand vom gerade Getanen sorgen und Raum zum Durchatmen und Ausruhen schenken. Karlheinz Geißler schreibt: „Räume und Zeiten des ‚Dazwischen‘ geben dem Alltag einen Rhythmus. Sie gliedern die Zeit, organisieren und ordnen Zeiterfahrung, setzen Schlusspunkte, markieren Anfänge und schaffen so Spielräume.“
Auch Jesus weiß um die Notwendigkeit von Pausen:
Da sagte Jesus zu ihnen: »Kommt, wir gehen an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und wo ihr euch ein wenig ausruhen könnt.« Denn es war ein ständiges Kommen und Gehen, sodass sie nicht einmal Zeit zum Essen fanden.
markus 6,31
Das, was Jesus und seine Jünger hier vermutlich eher ausnahmsweise erleben, ist für uns tägliche Normalität. Zum einen leben wir in der Regel eh schon einen recht verdichteten, effizienten Alltag. Durch das Smartphone kommt noch ein weiterer Verdichter hinzu: in jedem noch so kleinen Zwischenraum, in jeder noch so kleinen Pause checken wir nur kurz zwischendurch unsere Mails, die Nachrichten oder Social Media – im Schnitt tun wir das mehr als 50 mal pro Tag. Auf diese Weise vertreiben wir auch die letzten natürlichen Zwischenzeiten und Freiräume aus unserem Leben und planieren und versiegeln auf diese Weise unseren Alltag. Wir leben eine Existenz ohne Übergänge und Zwischenzeiten. Ohne Zwischenräume für Achtsamkeit, kurzes Abschalten und Durchatmen.
Wir müssen uns also unsere Pausen zurückholen. Hier ein paar Möglichkeiten. Als erstes natürlich: das Smartphone beim Warten und anderen kleinen Pausen bewusst in der Tasche lassen. Der Erwartung widerstehen, ständig online und erreichbar zu sein. Öfter zu Fuß gehen. Bei Terminen ein paar Minuten Puffer einplanen. Eine Kaffee- oder Tee-Pause machen, ohne dabei irgendetwas zu lesen oder zu erledigen. Und auch: überlegen, wo am Tag eine Pause besonders notwendig und hilfreich wäre, diese einplanen und dann durchziehen. Besonders wichtig sind Zeiten des Innehaltens am Morgen vor der Arbeit, in der Mittagspause und am Abend vor dem Schlafengehen.
In der Stille schaue ich auf meinen Tag und identifiziere ein, zwei Pausen, die ich heute wirklich frei halten möchte.
Herr meiner Stunden und meiner Jahre, du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir. Sie war mein und sie wird mein, und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich nicht, mir mehr Zeit zu geben. Ich bitte dich aber um Weisheit und Willenskraft, dass ich meine Tage gut lebe.
Lehre mich, ein wenig Zeit freizuhalten von Ablenkung und Pflichten: ein wenig für Stille und Gebet, ein wenig für das Spiel, ein wenig für die Menschen um mich, die meine Liebe und meine Aufmerksamkeit brauchen.
Ich bitte dich um Sorgfalt, dass ich meine Zeit nicht töte, nicht vertreibe, nicht verderbe.
Jede Stunde ist wie ein Streifen Land. Ich möchte ihn aufreißen mit dem Pflug und Liebe hineinwerfen, damit Frucht wächst. Segne du meinen Tag.
nach Jörg Zink