Wenn um uns die Welt immer schneller wird, ist das einzige hilfreiche Gegenmittel: langsamer leben.
Herzlich Willkommen zu LebensLiturgien, Staffel 6, Thema „Zeit“. Das mit der Zeit ist eine seltsame Sache: sie umgibt uns überall und bleibt doch ungreifbar. Manchmal vergeht sie quälend langsam, dann wieder viel zu schnell. Wir hätten gerne mehr von ihr – und vergeuden sie doch allzu oft. In dieser Staffel wollen wir versuchen, genau das tiefer zu verstehen und zu lernen, auf gute Weise in der Zeit zu leben.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt
und lasse es ruhig werden in mir.
Ich nehme mir Zeit und atme langsam und bewusst.
Herr über Zeit und Ewigkeit: du bist hier. Jetzt.
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Alles hat seine Zeit. Das gilt für alles, was auf der Erde geschieht.
Neues Leben hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit.
Kranksein hat seine Zeit und Gesundsein hat seine Zeit.
Weinen und Klage haben ihre Zeit, aber auch Jubel, Leichtigkeit und Freude.
Konflikte und Kriege haben ihre Zeit, aber auch Versöhnung und Friede.
Es gibt eine Zeit für Umarmung und Liebe, und eine Zeit für Loslassen und Sich-Trennen.
Es gibt eine Zeit für Rush-Hour, Schnelligkeit und Zeitdruck, und eine Zeit für Ruhe, Durchatmen und Pausen.
Alles hat Gott so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit – sogar die Ewigkeit hat Gott dem Menschen ins Herz gelegt.
Nur dass der Mensch nicht in der Lage ist, das Werk Gottes zu begreifen: er durchschaut weder, wo es beginnt, noch wo es endet.
nach Prediger 3
In dieser und der nächsten Folge soll es um einige Ideen zur Entschleunigung gehen. Wenn um uns die Welt immer schneller wird, ist das einzige hilfreiche Gegenmittel, langsamer zu leben. Klingt komisch, ist aber so. Die Vorschläge stammen aus John Mark Comers Buch „Das Ende der Rastlosigkeit“ und ich beginne mit etwas, das die meisten von uns täglich tun: nämlich Autofahren und Laufen.
Der erste Vorschlag lautet: Halte dich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Wenn das Schild siebzig Stundenkilometer verlangt, fahre siebzig. Nicht dreiundsiebzig oder achtundsiebzig oder zweiundneunzig, sondern siebzig. Auch wenn kein festinstallierter Blitzer zu sehen ist. Das Gleiche gilt natürlich, wenn die Schilder dreißig, fünfzig oder achtzig zeigen.
In die gleiche Richtung geht das hier. Wenn ein Lastwagen oder ein Traktor vor dir fährt und die Straße nicht wirklich zum Überholen einlädt: bleib ruhig. Akzeptiere das Langsamer. Achte auf deinen Atem, die Landschaft, spüre das Lenkrad. Übe das Präsent-Sein für Gott.
Auch die Autobahn ist ein guter Übungsort. Lieber ganz rechts oder in der Mitte fahren, nicht Vollgas geben, nicht das Maximale rausholen an Geschwindigkeit, sondern entspannt reisen. Mehr Zeit einplanen. Früher losfahren.
Das Gleiche gilt für das Gehen: je schneller wir uns bewegen, desto schneller kommen wir an und desto mehr können wir erledigen. Nur dass dies uns nicht zu gelasseneren, freundlicheren, aufmerksameren Menschen macht, sondern zu Menschen, die durch ihr Leben hasten und die trotz allem Erledigen und Erreichen stets das Gefühl haben, dass die Zeit eben gerade nicht reicht, dass die Zeit ihnen beständig durch die Finger rinnt.
Ich zitiere aus einem Meditationsblog: „Das schnelle Gehen macht dich nicht glücklicher. Du erledigst damit mehr Dinge, aber du wirst diese Dinger immer halbherziger tun, je schneller du ist. Deshalb: gehe langsam und beobachte, was um dich herum geschieht. Scheint die Sonne? Bläst der Wind? Ist der Weg eben oder uneben? Nach was riecht es? Nimm ein paar tiefe Atemzüge.
So spricht Gott, der Herr: „Durch Umkehr und Ruhe würdet Ihr frei, im Stillsein und Vertrauen läge neue Kraft. Doch ihr wollt nicht. Ihr sagt: 'Nein, auf Pferden wollen wir dahinfliegen!'
Jesaja 30,15f.
In der Stille überlege ich, wo ich heute bewusst langsam fahren oder gehen möchte.
Herr meiner Stunden und meiner Jahre, du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir. Sie war mein und sie wird mein, und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich nicht, mir mehr Zeit zu geben. Ich bitte dich aber um Weisheit und Willenskraft, dass ich meine Tage gut lebe.
Lehre mich, ein wenig Zeit freizuhalten von Ablenkung und Pflichten: ein wenig für Stille und Gebet, ein wenig für das Spiel, ein wenig für die Menschen um mich, die meine Liebe und meine Aufmerksamkeit brauchen.
Ich bitte dich um Sorgfalt, dass ich meine Zeit nicht töte, nicht vertreibe, nicht verderbe.
Jede Stunde ist wie ein Streifen Land. Ich möchte ihn aufreißen mit dem Pflug und Liebe hineinwerfen, damit Frucht wächst. Segne du meinen Tag.
nach Jörg Zink