Einfachheit im Bereich des Besitzes und ein einfaches Herz sind unauflöslich ineinander gewoben.
Herzlich Willkommen zu LebensLiturgien, Staffel 6, Thema „Zeit“. Das mit der Zeit ist eine seltsame Sache: sie umgibt uns überall und bleibt doch ungreifbar. Manchmal vergeht sie quälend langsam, dann wieder viel zu schnell. Wir hätten gerne mehr von ihr – und vergeuden sie doch allzu oft. In dieser Staffel wollen wir versuchen, genau das tiefer zu verstehen und zu lernen, auf gute Weise in der Zeit zu leben.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt
und lasse es ruhig werden in mir.
Ich nehme mir Zeit und atme langsam und bewusst.
Herr über Zeit und Ewigkeit: du bist hier. Jetzt.
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Alles hat seine Zeit. Das gilt für alles, was auf der Erde geschieht.
Neues Leben hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit.
Kranksein hat seine Zeit und Gesundsein hat seine Zeit.
Weinen und Klage haben ihre Zeit, aber auch Jubel, Leichtigkeit und Freude.
Konflikte und Kriege haben ihre Zeit, aber auch Versöhnung und Friede.
Es gibt eine Zeit für Umarmung und Liebe, und eine Zeit für Loslassen und Sich-Trennen.
Es gibt eine Zeit für Rush-Hour, Schnelligkeit und Zeitdruck, und eine Zeit für Ruhe, Durchatmen und Pausen.
Alles hat Gott so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit – sogar die Ewigkeit hat Gott dem Menschen ins Herz gelegt.
Nur dass der Mensch nicht in der Lage ist, das Werk Gottes zu begreifen: er durchschaut weder, wo es beginnt, noch wo es endet.
nach Prediger 3
In der letzten Folge ging es um das einfache Herz. Wir haben gemerkt: lange bevor es bei der Einfachheit darum geht, wie viel Kleidung in unserem Kleiderschrank hängt oder wieviel Geld wir für raffiniertes Essen ausgeben, geht es um die Einfachheit des Herzens: die klare, möglichst bleibende Ausrichtung unseres Herzens auf Gott.
Aber genau die ist nun wiederum beständig vom Konsum bedroht. Der wohl größte „Killer“ der Wahrnehmung von Gottes Gegenwart ist der Konsum. All das Haben, Verbrauchen und Anhäufen von Dingen und Dienstleistungen legt sich wie eine Decke auf unsere Gottessehnsucht und unsere Aufmerksamkeit für seine Gegenwart.
In seinem Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld erzählt Jesus davon, wie Gott seinen Samen auf den Acker unserer Herzen streut und wie die daraus erwachsenden guten Pflänzlein von den Disteln des Reichtums und der Begierde erstickt werden:
Andere Menschen entsprechen der Saat, die unter die Disteln fällt. Sie haben die Botschaft gehört, doch dann gewinnen die Sorgen ihres Alltags, die Verlockungen des Reichtums und andere Begierden die Oberhand und ersticken das Wort. Es bleibt ohne Frucht.
Markus 4,18f.
Der französische Soziologe John Baudriere hat darauf hingewiesen, dass in der westlichen Welt der Materialismus zum neuen vorherrschenden Sinnsystem geworden ist. Er argumentiert, dass der Atheismus das Christentum nicht ersetzt hat. Das Einkaufen schon. Es gibt einen Grund dafür, dass der einzige andere Gott, den Jesus jemals beim Namen nannte, der Gott „Mammon“ war, der Gott des Geldes. Jesus wusste darum, wie anfällig wir dafür sind, unsere innere Tiefen-Sehnsucht nach Gott mit einer Überfülle von Mammon-Dingen zuzustopfen. Jedoch:
Ein Mensch kann nicht zwei Herren dienen. Er wird dem einen ergeben sein und den anderen abweisen. Für den einen wird er sich ganz einsetzen, und den anderen wird er verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und zugleich dem Mammon.
Matthäus 6,24
Einfachheit im Bereich des Besitzes und Einfachheit des Herzens sind also unauflöslich ineinander gewoben. Wir kommen nicht zu mehr Einfachheit des Herzens, wenn wir nicht einfacher und mit Weniger leben. Und wir werden nicht auf Dauer einfacher und mit Weniger leben können, wenn wir unser Herz nicht entschiedener auf Gott ausrichten und Gott suchen, nur das Eine wollen.
Dieser Weg – da brauchen wir uns nichts vormachen – ist steinig und schwer. Denn er führt in den beständigen Widerstand gegen die Gier und den Überfluss, gegen die Verschwendung und die Umweltzerstörung, die uns im Kapitalismus überall umgeben und überall verlocken. Aber er führt hinein in die Fülle des Lebens, er führt hinein in die innere Freiheit und in die Nähe Gottes. Er lässt uns unsere Lebenszeit gut leben.
Noch einmal bete ich in der Stille langsam die Worte Davids aus Psalm 86: „Gib mir ein einfaches, ungeteiltes Herz, richte mein Herz aus auf das Eine: dass ich mich nach dir sehne und dich ehre.“
Herr meiner Stunden und meiner Jahre, du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir. Sie war mein und sie wird mein, und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich nicht, mir mehr Zeit zu geben. Ich bitte dich aber um Weisheit und Willenskraft, dass ich meine Tage gut lebe.
Lehre mich, ein wenig Zeit freizuhalten von Ablenkung und Pflichten: ein wenig für Stille und Gebet, ein wenig für das Spiel, ein wenig für die Menschen um mich, die meine Liebe und meine Aufmerksamkeit brauchen.
Ich bitte dich um Sorgfalt, dass ich meine Zeit nicht töte, nicht vertreibe, nicht verderbe.
Jede Stunde ist wie ein Streifen Land. Ich möchte ihn aufreißen mit dem Pflug und Liebe hineinwerfen, damit Frucht wächst. Segne du meinen Tag.
nach Jörg Zink