Durch unsere Aufmerksamkeit bleiben wir am Weinstock bzw "in Jesus"
Herzlich Willkommen zu LebensLiturgien, Staffel 6, Thema „Zeit“. Das mit der Zeit ist eine seltsame Sache: sie umgibt uns überall und bleibt doch ungreifbar. Manchmal vergeht sie quälend langsam, dann wieder viel zu schnell. Wir hätten gerne mehr von ihr – und vergeuden sie doch allzu oft. In dieser Staffel wollen wir versuchen, genau das tiefer zu verstehen und zu lernen, auf gute Weise in der Zeit zu leben.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt
und lasse es ruhig werden in mir.
Ich nehme mir Zeit und atme langsam und bewusst.
Herr über Zeit und Ewigkeit: du bist hier. Jetzt.
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Alles hat seine Zeit. Das gilt für alles, was auf der Erde geschieht.
Neues Leben hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit.
Kranksein hat seine Zeit und Gesundsein hat seine Zeit.
Weinen und Klage haben ihre Zeit, aber auch Jubel, Leichtigkeit und Freude.
Konflikte und Kriege haben ihre Zeit, aber auch Versöhnung und Friede.
Es gibt eine Zeit für Umarmung und Liebe, und eine Zeit für Loslassen und Sich-Trennen.
Es gibt eine Zeit für Rush-Hour, Schnelligkeit und Zeitdruck, und eine Zeit für Ruhe, Durchatmen und Pausen.
Alles hat Gott so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit – sogar die Ewigkeit hat Gott dem Menschen ins Herz gelegt.
Nur dass der Mensch nicht in der Lage ist, das Werk Gottes zu begreifen: er durchschaut weder, wo es beginnt, noch wo es endet.
nach Prediger 3
Vor einigen Folgen ging es darum, dass unsere Aufmerksamkeit unser Fenster zur Wirklichkeit ist. Denn worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, das bestimmt, was unsere Realität ist. Genau darum geht es, wenn Jesus seine berühmten Worte sagt:
Ich bin der wahre Weinstock. (…) Bleibt in mir, und ich bleibe in euch! Eine Rebe kann nicht aus sich selbst heraus Frucht bringen; sie muss am Weinstock bleiben. Auch ihr könnt keine Frucht bringen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt. Ich bin der Weinstock; ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt reichlich Frucht.
Johannes 15, 1+4f.
Wie bleiben wir „in Jesus“? Nun: mittels unserer Aufmerksamkeit. Wenn wir mit unserem Herzen und unseren Sinnen die Gemeinschaft mit Jesus suchen und seine Gegenwart wahrnehmen, wenn wir seinen Worten in uns Raum geben, mit ihm reden, auf seine Impulse hören und das Gehörte bzw. Erspürte dann auch vertrauensvoll-gehorsam tun, dann bleiben wir in Jesus. Dann bleiben wir in Verbindung mit dem guten Weinstock und seinen heiligen, kostbaren Nährstoffen. Dann kann Gottes guter Geist in uns Wohnung nehmen, unser Leben in der Tiefe prägen und gute Früchte wachsen lassen. An unserer Aufmerksamkeit entscheidet sich also, ob wir „in Christus“ sind, ob wir mit Jesus verbunden sind, oder nicht.
Und das ist keine seltsam-fromme Speziallehre, sondern beschreibt einen ganz normalen Vorgang, nämlich: das, womit wir uns beschäftigen, prägt uns. Das gilt natürlich auch für Social Media. Oliver Burkeman schreibt:
„Wenn man nach einer Stunde, die man versehentlich auf Social Media vergeudet hat, wieder auftaucht, möchte man annehmen, dass der Schaden in Form von verschwendeter Zeit auf diese eine Stunde beschränkt bleibt. Aber das ist falsch. Da die Aufmerksamkeitsökonomie so konzipiert ist, dass sie nicht dem Wahrsten oder Nützlichsten die Priorität einräumt, sondern dem, was am meisten fesselt, verzerrt sie systematisch das Bild der Welt, das wir im Kopf haben. Sie beeinflusst das Gefühl dafür, was wichtig ist, welchen Bedrohungen wir ausgesetzt sind und tausend andere Dinge. All diese verzerrten Einschätzungen haben wiederum Einfluss darauf, wie wir in unserer Offlinezeit leben.“
Das, womit wir uns beschäftigen, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, prägt uns. So einfach ist das. Jesus kann unser Leben also nur dann und nur so lange wirklich prägen, wie wir ihm unsere Aufmerksamkeit schenken, oder in seinen Worten gesprochen: „am Weinstock bleiben“.
Ich bin der wahre Weinstock. (…) Bleibt in mir, und ich bleibe in euch! Eine Rebe kann nicht aus sich selbst heraus Frucht bringen; sie muss am Weinstock bleiben. Auch ihr könnt keine Frucht bringen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt. Ich bin der Weinstock; ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt reichlich Frucht.
Johannes 15, 1+4f.
In der Stille richte ich meine Sinne auf Jesus und bleibe an ihm, in ihm.
Herr meiner Stunden und meiner Jahre, du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir. Sie war mein und sie wird mein, und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich nicht, mir mehr Zeit zu geben. Ich bitte dich aber um Weisheit und Willenskraft, dass ich meine Tage gut lebe.
Lehre mich, ein wenig Zeit freizuhalten von Ablenkung und Pflichten: ein wenig für Stille und Gebet, ein wenig für das Spiel, ein wenig für die Menschen um mich, die meine Liebe und meine Aufmerksamkeit brauchen.
Ich bitte dich um Sorgfalt, dass ich meine Zeit nicht töte, nicht vertreibe, nicht verderbe.
Jede Stunde ist wie ein Streifen Land. Ich möchte ihn aufreißen mit dem Pflug und Liebe hineinwerfen, damit Frucht wächst. Segne du meinen Tag.
nach Jörg Zink