Dietrich Bonhoeffer und seine Schrift "gemeinsames Leben"
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 7, „Unterwegs“. In dieser Staffel lassen wir uns von 15 Spezial-Psalmen, den sog. „Wallfahrtsliedern“, inspirieren, anfeuern und begleiten auf unserem Weg der Nachfolge. Denn wir sind und bleiben unterwegs. Unser Glaube ist nie fertig – genauso wenig wie unser Leben. Nur im Gehen, auf dem Weg, formen sich unser Glaube und unser Leben. Die fünfzehn Wallfahrtslieder leiten uns dazu an, unseren Weg mit Ausdauer zu laufen: treu, zuverlässig, mit langem Atem, das Ziel fest im Blick. Denn auf dem Weg hin zu mehr Reife, Echtheit und Tiefe im Glauben gibt es keine Abkürzung. Und jetzt: gute Reise.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt
und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Du Gott der Wege: du bist hier. Jetzt. Mit mir.
Du wirst mich mit deinen Augen leiten.
Wir hören auf Worte aus dem Hebräerbrief, Kapitel 12 und 13:
Wir sind umgeben von einer ganzen Wolke von heiligen Zeugen, die uns anfeuern. Deshalb legt alles ab, was Euch beschwert! Jede Sünde, die Euch gefangen nimmt! Lauft ausdauernd und geduldig dem guten Ziel entgegen! Richtet Euren Blick dabei auf Jesus: er hat diesen Weg begonnen und vollendet – durch Anfeindungen, Schwierigkeiten und Leid hindurch. Wenn Ihr müde werdet und strauchelt: schaut auf ihn! Das wird Euch neue Kraft geben.
Stärkt eure müden Hände und die zitternden Knie. Lenkt eure Schritte entschlossen in die richtige Richtung. Geht auf geraden Wegen, damit niemand stolpert und fällt. Hütet euch vor dem Esau-Syndrom: gebt Gottes lebenslange Gabe und seinen Segen nicht weg, nur um kurzfristig euren Appetit zu stillen. Denn wir haben hier auf der Erde keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Zu ihr sind wir unterwegs.
So möge Euch der Gott des Friedens die Kraft geben, all das Gute zu tun, das nach seinem Willen durch euch geschehen soll. Durch Jesus Christus bewirke er in Eurem Leben das, woran er Freude hat. Gottes Gnade sei mit euch allen!“
aus dem Hebräerbrief, Kapitel 12+13
Zwei einfache Beobachtungen zum Thema Gemeinschaft:
Das griechische Wort „adelphoi“ (= Geschwister) wird im Neuen Testament 342 mal verwendet – und ist jedes einzelne Mal zutiefst ernst gemeint. Jesus und die anderen Autoren des Neuen Testaments rufen uns dazu auf, als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu wie eine starke Familie, intensiv und dicht und mit allen Konsequenzen, zusammenzuleben und zusammenzuhalten.
Die allermeisten von uns sind von dieser Realität vermutlich Lichtjahre entfernt. Wir verstehen Gemeinde und christliche Gemeinschaft eher als eine mehr oder weniger wichtige Zutat unseres Lebens – und in der Regel auch nur dann, wenn es dort genügend Menschen gibt, die uns sympathisch sind und genügend Angebote, die attraktiv genug für uns sind.
Weil dies so ist, wollen wir uns in den nächsten Folgen intensiver mit dem Thema Gemeinschaft beschäftigen – und zwar anhand von Dietrich Bonhoeffer und seiner kleinen Schrift „Gemeinsames Leben“. Bonhoeffer hat seine Gedanken im Anschluss an die Jahre 1935 bis 1937 geschrieben: während dieser Zeit leitete er das Untergrund-Predigerseminar in Finkenwalde, in der Nähe von Stettin. Für jeweils ein halbes Jahr kamen hier etwa 20 junge Vikare der Berlin-Brandenburgischen Bekennenden Kirche zusammen, die bereit waren, im Anschluss in der Bekennenden Kirche ihren Dienst zu tun: der Organisation, die sich als wahre Kirche Deutschlands verstand, im Gegensatz zur großen Deutschen Evangelischen Kirche, die Hitler damals vorbehaltlos unterstützte.
Aufgrund des offiziellen Verbots der Bekennende Kirche war klar: die jungen Männer gingen einer ungewissen Zukunft entgegen. Sie alle würden Gemeinden im Untergrund leiten, immer in der Gefahr, entdeckt oder verraten und dann verhaftet zu werden. Gerade deshalb war Bonhoeffer überzeugt: die Vikare brauchen eine intensive Verwurzelung in Christus. Er schuf eine Art klösterliche Gemeinschaft mit einem strikt geregelten Tagesablauf, in dem Andachten, Bibelmeditation und Gebet einen großen Raum einnahmen – und eben: die gelebte, intensive Gemeinschaft.
Seine Schrift „gemeinsames Leben“ beginnt er nach einer kurzen Einleitung mit folgenden Worten:
Es ist nichts Selbstverständliches für den Christen, dass er unter Christen leben darf. (…) Nicht alle Christen haben an dieser Gnade teil. (…) Die Gefangenen, die Kranken, die Einsamen in der Zerstreuung (…) stehen allein. (…) Es wird leicht vergessen, dass die Gemeinschaft christlicher Brüder ein Gnadengeschenk aus dem Reiche Gottes ist, das uns täglich genommen werden kann. (…) Darum, wer bis zur Stunde ein gemeinsames christliches Leben mit anderen Christen führen darf, der preise Gott aus tiefstem Herzen.
Dietrich Bonhoeffer
In der Stille halte ich mir meine Verwurzlung in einer christlichen Gemeinschaft vor Augen – oder auch meine Einsamkeit und komme mit Gott darüber ins Gespräch.
Verleih mir, gütiger und heiliger Vater, in deiner Huld:
einen Verstand, der dich versteht,
einen Sinn, der dich wahrnimmt,
einen Eifer, der dich sucht,
ein Herz, das dich liebt,
ein Tun, das dich verherrlicht,
eine Geduld, die auf dich harrt;
gib mir deine heilige Gegenwart, einen guten Tod
und eine glückliche Auferstehung im ewigen Leben.
Benedikt von Nursia
Amen.