Zum Abschluss der Staffel erscheinen die biografischen Teile der letzten vierzig Folgen zu Teresa von Avila noch einmal hübsch verpackt in Viertelstunden-Häppchen – zum Erinnern, Vertiefen, Nochmal-Freuen und Weiterdenken.
Herzlich Willkommen zu „Lebensliturgien für den Alltag“ – Staffel 4: Teresa erzählt. Zum Abschluss der Staffel erscheinen hier die biografischen Teile der letzten vierzig Folgen zu Teresa von Avila noch einmal hübsch verpackt in Viertelstunden-Häppchen – zum Erinnern, Vertiefen, Nochmal-Freuen und Weiterdenken. Und jetzt: viel Freude damit!
Und so schleppt Teresa sich über viele Jahre dahin, hinkend auf beiden Seiten: halb Gott zugewandt und halb der Welt; halb hingegeben im inneren Gebet und halb zerstreut.
„So führte ich ein äußerst zermürbendes Leben. Einerseits rief mich Gott immer wieder, andererseits lief ich der Welt nach. Es sah so aus, also wollte ich diese beiden Gegensätze miteinander in Einklang bringen: das geistliche Leben und sinnenhafte Vergnügungen und Zerstreuungen – wo das eine dem anderen doch so widerspricht. So verbrachte ich viele Jahre, so dass ich jetzt nur so staune, was ein Mensch durchhält, um weder das eine noch das andere aufzugeben.“
Dann, endlich, nach scheinbar endlosen Tagen voller Aufstehen und Fallen und Wieder-Aufstehen und Wieder-Fallen erlebt Teresa einen geistlichen Durchbruch. Ist es göttliche Belohnung für ihre Hartnäckigkeit und ihr Nicht-Aufgeben? Oder reines, unverfügbares Geschenk, das Gott manchen Menschen auf besondere Weise zuteilwerden lässt? Oder von beidem etwas?
Im Anmarschweg auf Ostern, in der Fastenzeit des Jahres 1554 – Teresa ist zu diesem Zeitpunkt bereits 39 Jahre alt – sieht Teresa in ihrem Kloster ein Bild oder eine Skulptur des misshandelten Jesus. Obwohl sie solche Bilder schon oft in ihrem Leben gesehen hat, ist es diesmal anders:
„Da geschah es mir, dass ich eines Tages beim Eintritt in den Gebetsraum ein Bild sah: es war das Bild eines ganz mit Wunden bedeckten Christus und so andachtserweckend, dass es mich beim Anblick zutiefst erschütterte, ihn so zu sehen, denn es stellte gut dar, was er für uns gelitten hatte. Das, was ich empfand, weil ich mich für diese Wunden kaum dankbar gezeigt hatte, war so gewaltig, dass es mir war, als würde es mir das Herz zerreißen. Aufgelöst in Tränen warf ich mich vor ihm nieder und flehte ihn an, mir ein für allemal die Kraft zu geben, ihn nicht mehr zu beleidigen. Ich hatte zu mir kaum noch Vertrauen, sondern setzte mein ganzes Vertrauen auf Gott. Ich glaube, ich habe ihm damals gesagt, dass ich von dort nicht mehr aufstehen würde, bis er tat, worum ich ihn anflehte. Ich glaube sicher, dass mir das geholfen hat, denn seitdem ging es viel besser mit mir.“
Teresa schwärmt vom inneren Beten. Das innere Beten ist ihr Fundament, Zentrum, Rettung, Inspiration. Teresa wird von der katholischen Kirche als „Lehrerin des Betens“ bezeichnet. Was aber ist dieses innere Beten eigentlich?
Die Antwort ist … nun … gar nicht so einfach. Weil Teresa die Bezeichnung „inneres Beten“ mindestens in einem zweifachen Sinn gebraucht: zum einen als eine besondere mystische Gebetsstufe, als ein besonders inniges Erleben von Gottesnähe, als einen Zustand des Erfülltseins mit göttlicher Ruhe, Frieden und Glück.
An anderen Stellen beschreibt Teresa mit „innerem Beten“ eine bestimmte innere Haltung beim Gebet. Eine innere Haltung, die nicht nur zerstreut Gebetsworte vor sich hinplappert, sondern wirklich Gott meint und den liebevollen, vertrauten Umgang mit Gott sucht. In diesem zweiten Sinne schreibt sie:
„Das innere Gebet ist, so meine ich, nichts anderes als ein freundschaftlicher Umgang, ein häufiges persönliches Umgehen mit dem, von dem wir wissen, dass er uns liebt.“
Diese innere Haltung ist für sie deshalb so zentral, weil sie bei ihren Mitschwestern im Kloster oftmals das Gegenteil erlebt: ein kühles, gelangweiltes Verrichten der vorgeschriebenen Gebete. Lästige Pflichterfüllung – zum Teil sogar als Dienstleistung für Spender von außerhalb. Immer wieder delegieren Bewohner Avilas das Beten an die Nonnen im Kloster: für eine bestimmte Summe an Geld erwerben sie eine bestimmte Anzahl an von geistlichen Profis gesprochenen Gebeten. Gebet als religiöse Leistung.
Für Teresa hat das mit Beten im eigentlichen Sinn nichts zu tun:
„Bedenkt, wenn ihr vor den Herrn tretet, wer der ist, zu dem ihr sprecht. Auf ihn allein muss all eure Aufmerksamkeit gerichtet sein. Das ist inneres Gebet! Inneres Beten heißt, darüber nachdenken, und sich bewusstmachen, was wir beten, mit wem wir sprechen und wer wir sind, die wir es wagen, uns einem so großen Herrn zu nähern.“
Ob nun also freies mündliches Gebet, oder das Nachbeten vorgegebener Worte, oder das schweigende, kontemplative Gebet: immer ist es wichtig, dass es von innen kommt und wirklich Gott meint. Inneres Beten heißt: sich zu Gott hinwenden und zu ihm „Du“ sagen; an Gott denken und sich seine Gegenwart bewusst machen. Inneres Beten heißt: Herzensfreundschaft mit Gott.
„Inneres Beten ist Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“
Für Teresa ereignet sich dieses Beten weitgehend in den täglichen Zeiten des Rückzugs und der Stille. Mehrfach am Tag macht sie sich auf, zieht sich zurück in ihre Zelle und vertieft sich in ihre Freundschaft zu dem, den sie mal „Freund“ und mal „Majestät“ nennt. Jetzt hat Teresa – zumindest mit Blick auf das innere Beten – uns gegenüber den gewaltigen Vorteil, dass sie als Nonne in einem Kloster lebt. Alles um sie herum ist darauf ausgelegt, Rückzug, Stille und Gebet zu ermöglichen und zu fördern. Bei uns ist meist genau das Gegenteil der Fall: alles um uns herum scheint darauf ausgelegt, uns beschäftigt zu halten oder abzulenken. Unser Leben ist schnell, laut und voll. Ausführliche Zeiten für Rückzug, Stille und Gebet müssen wir uns hart erkämpfen. Ist inneres Beten, ist Herzensfreundschaft zu Gott also nur etwas für religiöse Profis?
Es gibt noch einen anderen Ansatz des inneren Betens, der viel stärker die täglichen Aufgaben und Pflichten in den Blick nimmt. Bekannt geworden ist dieser Ansatz anhand des Lebens eines Mannes, der einhundert Jahre später gelebt hat als Teresa, und genau wie sie Mitglied des Karmeliterordens (also Mönch) war. Sein Name: Bruder Lorenz von der Auferstehung. Er schreibt:
„Ich bin bei meiner gewöhnlichen Arbeit viel näher mit Gott vereinigt, als wenn ich meine Arbeit verlasse, um mich eigens zur Vereinigung mit Gott zum Gebet in der Abgeschiedenheit zurückzuziehen, und ich fühle mich gewöhnlich ganz ausgetrocknet, wenn ich aus solcher Abgeschiedenheit zurückkomme.“
Bruder Lorenz hat das innere Gebet auf einzigartige und inspirierende Weise mit seiner täglichen Arbeit verbunden:
„Wir müssen danach trachten, uns in der Gegenwart Gottes festzumachen und uns mit ihm in einem ununterbrochenen Gespräch befinden. Anfangs kostet es etwas Fleiß, die feste Gewohnheit zu erlangen, stets mit Gott umzugehen und alles Tun auf ihn auszurichten. Aber nach einiger Mühe fühlt man sich ohne irgendwelche Anstrengung einfach von seiner Liebe dazu aufgeweckt. Meine gewöhnlichste Methode ist diese einfache Aufmerksamkeit und das allgemeine, liebevolle Aufsehen zu Gott.
Wir haben nichts anderes zu tun, als zu erkennen, dass Gott in unserem Inneren gegenwärtig ist, und dass wir ihn alle Augenblicke ansprechen und ihn um seinen Beistand bitten. Wäre ich ein Prediger, ich wollte nichts anderes predigen als diese Übung der Gegenwart Gottes. Wäre ich ein geistlicher Führer, ich würde diese Übung allen Leuten ans Herz legen.“
Ich liebe diese Form des inneren Betens. Ich sehne mich nach diesem häufigen, liebevollen, heilig-selbstverständlichen Umgang mit Gott. Ich wünsche mir genau diese Wachheit für Gottes Gegenwart um mich und in mir. Und scheitere doch regelmäßig. Sowohl in meinem Alltag als auch in besonderen Zeiten der Stille und des Gebets geht es mir so, wie Henry Nouwen schreibt:
„Wahrscheinlich werden wir dabei ständig abgelenkt werden. Es wird uns durch den Kopf gehen, was gestern passiert ist, und wir werden uns Gedanken darüber machen, was morgen geschehen mag. Wir werden in unserer Fantasie lange Diskussionen mit Freund oder Feind führen, werden Pläne für den kommenden Tag schmieden, ein bevorstehendes Gespräch entwerfen oder unsere nächste Sitzung in Gedanken organisieren. Unser Beten mag also nicht immer eine befriedigende Erfahrung sein. Oft sind wir so mit uns beschäftigt und so wenig in der Lage, innere Ruhe zu finden, dass wir es gar nicht erwarten können, uns wieder in das Getriebe zu stürzen und damit der Konfrontation mit dem chaotischen Zustand unseres Herzens aus dem Weg zu gehen. Doch wenn wir im Beten treu bleiben, wenn wir dranbleiben und es immer wieder neu versuchen, werden wir nach und nach erkennen, dass es in uns einen Ort gibt, an dem Gott wohnt und dem wir eingeladen sind, mit Gott zusammen zu wohnen. Eines Tages werden wir diesen inneren, heiligen Ort als den schönsten und kostbarsten ansehen, den wir aufsuchen können.“
Dranbleiben ist also wichtig. Mich nicht entmutigen lassen. Teresa selbst hat 19 Jahre auf den großen geistlichen Durchbruch gewartet – und auf dem Weg dahin jeden Tag aufs Neue gebetet, Gott gesucht, innere Trockenheit ausgehalten und Gott hartnäckig mit ihrer ungestillten Sehnsucht bestürmt. Auch Bruder Lorenz, bei dem alles so leicht und selbstverständlich daherzukommen scheint, schreibt an anderer Stelle:
„In den ersten zehn Jahren im Kloster habe ich viel durchgemacht. Meine Einsicht, Gott nicht so zu gehören, wie ich es eigentlich wollte und meine Sünden, die mir immer vor Augen waren, waren Ursprung aller meiner Leiden. In dieser Zeit kam ich oft zu Fall, stand aber immer gleich wieder auf. Eines Tages, als ich schon dachte, ich müsse meine Tage in dieser Verwirrung und Unruhe zu Ende bringen, fand ich mich plötzlich verändert. Meine Seele, die bis dahin stets in Unruhe war, befand sich nun in einem tiefen inneren Frieden, als ob sie an ihrem Zentrum und Ruheort wäre.“
In der Stille versuche ich, etwas von diesem tiefen inneren Frieden zu spüren.
Nichts soll dich verwirren,
nichts dich erschrecken.
Alles vergeht, Gott aber ändert sich nicht.
Gott alleine genügt.
Wer ihn hat, dem wird nichts fehlen.