Zum Abschluss der Staffel erscheinen die biografischen Teile der letzten vierzig Folgen zu Teresa von Avila noch einmal hübsch verpackt in Viertelstunden-Häppchen – zum Erinnern, Vertiefen, Nochmal-Freuen und Weiterdenken.
Herzlich Willkommen zu „Lebensliturgien für den Alltag“ – Staffel 4: Teresa erzählt. Zum Abschluss der Staffel erscheinen hier die biografischen Teile der letzten vierzig Folgen zu Teresa von Avila noch einmal hübsch verpackt in Viertelstunden-Häppchen – zum Erinnern, Vertiefen, Nochmal-Freuen und Weiterdenken. Und jetzt: viel Freude damit!
Mit 27 Jahren beginnt Teresa nach ihrer langen und schweren Krankheitszeit wieder am klösterlichen Leben im Menschwerdungskloster in Avila teilzunehmen. Schon bald aber zerreißt es sie dort fast. Auf der einen Seite ist da in ihr der feine Ruf in die stille Hingabe an Jesus, der Lockruf des inneren, stillen Betens. Auf der anderen Seite steht der trubelige, für klösterliche Verhältnisse recht weltliche Alltag dort.
Denn: das Menschwerdungskloster in Avila bot nicht nur hingegebenen Gottsucherinnen eine Heimat, sondern auch – vielleicht sogar vor allem – Töchtern aus adligen Familien, die auf dem Heiratsmarkt leer ausgegangen waren. Viele der Frauen dort waren Nonnen geworden, weil ihnen nichts anderes übrigblieb. Sie fanden keine Erfüllung in Stille, Abgeschiedenheit, Gebet und Gehorsam. Aus diesem Grund gab es für dieses Kloster keine strenge Klausur, also keine strenge Trennung von der Welt. Die Schwestern durften Besuche von außen empfangen – und wenn die Besuchszeiten nicht ausreichten, schlichen viele sich nachts heimlich aus ihren Zimmern, um durch einen Spalt in der Mauer mit Freundinnen oder Verwandten zu reden.
Hinzu kam eine Mehrklassengesellschaft innerhalb des Klosters. Während die ärmeren Schwestern sich einen großen, sehr einfach gehaltenen Schlafsaal teilten, hatten die Schwestern aus reichen Familien eigene kleine Wohnungen, manche sogar mit Bediensteten.
„Es ist schade um die vielen, die sich aus der Welt zurückziehen möchten, sich dann aber in zehn Welten zugleich vorfinden, so dass sie weder ein noch aus wissen. Ihre Jugend, ihre Gefühlswelt und der Böse umwerben und bewegen sie, manchen Dingen nachzulaufen, die genau der Welt entsprechen. Welch gewaltiges Unheil in den Orden, in denen man die Ordensregel nicht hält, wo es in einem Kloster zwei Wege gibt: die Beachtung der klösterlichen Regel und die Nicht-Beachtung. Der Weg der wahren Regelbeachtung wird selten begangen, so dass die Schwester, die wirklich anfangen möchte, ihre Berufung zu leben, die Leute im eigenen Haus mehr fürchten muss als alle Dämonen.“
Teresa erlebt, wie es sie zunehmend hineinzieht in all die Ablenkungen und Möglichkeiten im Kloster. Sie findet nicht mehr hinein in den vertrauten, liebevollen Umgang mit Gott, der sich aus der Stille speist, findet nicht mehr hinein in das, was ihr eigentlich so viel bedeutet und was sie als ihre innerste Berufung spürt. Stattdessen verliert sie sich in Äußerlichkeiten und Freundschaften mit anderen Schwestern. Die innere Leere und die Schuldgefühle, die sie deshalb empfindet, entfremden sie nur noch mehr von Gott.
„So begann ich also, von Zeitvertreib zu Zeitvertreib, von Eitelkeit zu Eitelkeit, mich sehr bedenklichen Gelegenheiten auszusetzen und meine Seele in so viele Eitelkeiten zu verstricken, dass ich mich sogar schämte, mich in einer so besonderen Freundschaft, wie es das Verweilen im stillen Gebet ist, Gott erneut zuzuwenden. Das war der schrecklichste Irrtum, dass ich begann, mich vor dem inneren Beten zu fürchten, da ich mir so verloren vorkam.“
Das innere Beten ist Teresas besondere Berufung – schon von Jugend an. Noch bevor sie ins Kloster eintritt und noch bevor sie weiß, was inneres eigentlich Beten ist, praktiziert sie es:
„Viele Jahre lang dachte ich an den meisten Abenden vor dem Einschlafen, wenn ich mich zum Schlafen Gott empfahl, immer wieder eine Weile an den Abschnitt des Gebetes Jesu im Ölgarten, noch bevor ich im Kloster war. Ich versuchte, mir Christus in meinem Innern vorzustellen, und – wie mir schien – ging es mir damit an jenen Stellen besser, wo ich ihn am einsamsten erlebte. Mir schien, dass er mich, wenn er einsam und niedergeschlagen war, als einer, der in Nöten ist, zu sich lassen müsste. Und ich bin überzeugt, dass meine Seele sehr großen Gewinn davon hatte, denn so begann ich, inneres Beten zu halten, ohne zu wissen, was das war, und die so eingespielte Gewohnheit bewirkte, dass ich das nicht unterließ.“
Zu Beginn ihrer langen Krankheitszeit bekommt sie das Buch „Das geistliche ABC“ von Franziskus von Osuna in die Hände. Dort liest sie Worte wie diese:
„In dieser Art des Betens verstummen wir in tiefer Ruhe und öffnen uns Gott in demütiger, aufrichtiger Hingabe. Es geht Gott nicht primär darum, dass du dich ihm gibst, sondern dass er sich dir schenkt, weil du ohne ihn nichts ausrichtest. Bittet man dich also, Gott zu lieben, so ist das, als bäte man dich, die Fülle seiner Gaben zu empfangen. Seine Liebe, die du erfährst, kommt niemals an ein Ende. Wenn wir Gott lieben, geben wir die Liebe also nur ihrer Quelle zurück. Wir sind dann wie die Brandung des Meeres, da wir die anbrandenden Liebeswogen Gottes mit aller Kraft zurückwerfen zur Quelle, von der sie ausgingen.“
In diesen Worten liest sie, was sie in sich schon seit langem ahnt: dass Beten mehr und etwas anderes ist, als das bloße, kühle Aufsagen von Gebetsworten. Sie selbst definiert inneres Beten in ihrer Autobiografie so:
„Meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“
Schon sehr früh in ihrem Leben verspürt Teresa also einen inneren Lockruf in die Gegenwart Gottes, in das innere Beten hinein. Zugleich aber hat sie genau damit über viele Jahre zu kämpfen. Das eine, was ihr vor allem in den Anfangsjahren Mühe macht, sind die vielen Zerstreuungen, die sie während des Betens immer wieder ablenken. Kaum nimmt sie sich eine Auszeit zum Gebet, stürmen alle möglichen Gedanken auf sie ein. Teresa schweift immer wieder ab, muss sich selbst wieder und wieder einsammeln und zurückholen ins Gebet, in die Gegenwart vor Gott.
„Ich sage, dass es mir manchmal zustößt – und heute war es wieder so – dass ich erlebe, wie sich meine Seele zerreißt, um sich ganz und gar bei Gott zu erleben, dies aber unmöglich ist, weil Gedächtnis und Vorstellungskraft einen solchen Kampf liefern, dass sie die Seele nicht hochkommen lassen. Die Erinnerungskraft bleibt bei nichts stehen, sondern schwirrt vom einem zum anderen, so dass sie wie einer dieser lästigen, unruhigen kleinen Nachtfalter erscheint.“
Weil Teresa das entmutigt, lässt sie das innere Beten öfters schleifen und bleibt während des Betens nur an der Oberfläche.
„Ganz, ganz oft gab ich einige Jahre lang mehr auf mein Verlangen Acht, dass die Zeit, die ich mir zu bleiben vorgenommen hatte, bald zu Ende ginge, und darauf, auf das Schlagen der Uhr zu lauschen.“
Als Gegenmittel gegen Oberflächlichkeit und Zerstreuung entdeckt sie zum einen die Kraft ihres Willens. Mithilfe ihres Willens bringt sie ihre Gedanken und ihr Inneres immer wieder zurück in die Ausrichtung auf Gott – mögen die Gedanken ihr auch noch so oft davonjagen.
Sie merkt aber, dass sie noch mehr braucht, dass sie noch andere Hilfsmittel braucht, die ihr den inneren Fokus auf Gott stärken. Für Teresa sind das die Kommunion bzw. das Abendmahl, dann das Betrachten geistlicher Gemälde, das Lesen geistlicher Bücher und das aufmerksame Betrachten der Natur. All das hilft ihr aus der Zerstreuung und dem Vielerlei hinein in eine liebevolle innere Ausrichtung auf Gott.
Zerstreutheiten sind das eine, was Teresa beim inneren Beten zusetzt. Viel stärker noch als mancher Misserfolg beim inneren Beten setzt ihr jedoch das Gelingen inneren Betens zu. Immer wieder einmal erlebt sie während ihres Betens Gott auf radikal wunderbare Weise: sie wird von Gottes Liebe und Freundschaft regelrecht umflutet und überspült. Für kurze Zeit erkennt sie mit all ihrem Sein: Gott ist ihr mit seiner ganzen göttlichen Liebe zugetan, Gott sieht sie, Gott kümmert sich. In diesen Momenten verschwinden aus ihr alle Zweifel, alles Drehen um sich selbst, alle Furcht, alle irdischen Sorgen, alles Bedürfnis nach seichtem Zeitvertreib ….
Dann aber, kaum dass sie aus dieser besonderen Gemeinschaft mit Gott zurückgekehrt ist, ist all dieses allzu Irdische wieder da. Diese gelebte Inkonsequenz der Liebe Gottes gegenüber setzt ihr massiv zu und bedrängt sie. In einer Frühphase gibt sie das innere Beten deshalb für eine gewisse Zeit auf.
„Ich schämte mich, mich in einer so besonderen Freundschaft, wie es das Verweilen im Gebet ist, Gott erneut zuzuwenden. Es schien mir besser zu sein, mich so zu verhalten wie die vielen und nur mündlich die Gebete zu verrichten, zu denen ich verpflichtet war, und nicht mehr mit dem inneren Beten und dem innigen Verweilen bei Gott weiterzumachen.“
Damit aber schneidet sich Teresa von ihrer Lebensader ab. Als sie eine Zeit später das Kloster vorübergehend verlässt, um ihrem Vater in dessen letzten Lebenstagen beizustehen, schreibt sie:
„Ich ging nach Hause, um ihn zu pflegen, an meiner Seele kränker als er an seinem Leib.“
Kurze Zeit darauf trifft sie einen Priester, mit dem sie über ihre Seelennot spricht. Der ermutigt sie, mit dem inneren Beten wieder anzufangen. Das verschafft Teresa auf der einen Seite Erleichterung: endlich wieder Zeit mit ihrem geliebten Herrn! Endlich wieder gelebte Freundschaft mit Gott! Zugleich erlebt sie dadurch erneut ihre eigene Unfähigkeit, ein Leben zu führen, das der Liebe Gottes angemessen ist.
„Ich führte nun ein äußerst zermürbendes Leben. Einerseits rief Gott mich immer wieder, andererseits lief ich der Welt nach. Alles, was mit Gott zu tun hatte, machte mich ganz glücklich, aber zugleich hielten mich die weltlichen Dinge gefangen. So trieb ich mich fast zwanzig Jahre auf diesem stürmischen Meer herum mit diesem Fallen und Aufstehen. Ich kann nur sagen, dass das eine der mühseligsten Lebensweisen ist, die man sich meines Erachtens vorstellen kann, denn weder erfreute ich mich ganz Gottes, noch fand ich in der Welt mein Glück. So lebte meine Seele ganz müde dahin, weil die schlechten Gewohnheiten, die sich an sich hatte, sie nicht in Ruhe ließen, obwohl sie das wollte.“
In der Stille gebe ich sowohl dem Raum, was mich am Umgang mit Gott fasziniert und begeistert, wie auch dem, was mir Mühe macht.
Nichts soll dich verwirren,
nichts dich erschrecken.
Alles vergeht, Gott aber ändert sich nicht.
Gott alleine genügt.
Wer ihn hat, dem wird nichts fehlen.