Nach der brutalen Niederschlagung des ersten Marsches in Selma führt Martin Luther King zwei weitere Märsche an. Der dritte Marsch führt schließlich nach Montgomery, wo Martin Luther King eine eindrucksvolle Rede hält.
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Sofort nach den furchtbaren Ereignissen in Selma von Sonntag kündigt Martin Luther King an, am Dienstag persönlich einen weiteren Marsch anzuführen. In einem Telegramm fordert er alle Geistlichen Amerikas dazu auf, nach Selma zu kommen, um an dem Marsch teilzunehmen. Die Reaktion ist überwältigend. Priester, Rabbiner und Nonnen jeder Hautfarbe kommen per Zug, Bus, Auto oder Flugzeug nach Selma.
Der nun zweite große Marsch durch Selma wird dieses Mal angeführt von Martin Luther King, neben dem ein Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche ausschreitet, in vollem Ornat und mit wallendem weißen Bart. Neben dem orthodoxen Priester marschiert eine Gruppe Nonnen in ihren Ordenskleidern, dahinter zwei Rabbiner mit steifen schwarzen Hüten. Als sie die Brücke erreichen, warten dort wieder Hundertschaften der Polizei. Ein Polizist tritt vor und warnt King davor, weiterzugehen. Martin Luther King bittet seinen Freund Ralph Abernathy, ein Gebet zu sprechen, und kniet sich hin. Alle hinter ihm folgten seinem Beispiel. Als sie sich wieder erheben, macht Martin Luther King kehrt und führte die Menge zurück.
Nach diesem zweiten Marsch reichen die Bürgerrechtler eine Klage ein, um das Demonstrationsrecht gerichtlich durchzusetzen. Eine Woche später entscheidet ein Bundesrichter zugunsten der Demonstranten und ordnet an, dass sie unter dem Schutz der Bundesbehörden marschieren dürfen.
Am 21. März beginnt der dritte Marsch von Selma, diesmal unter starkem Schutz von Bundestruppen und der Nationalgarde, die von Präsident Johnson entsandt wurden. Rund 3.200 Menschen starten in Selma und legen die Strecke nach Montgomery in vier Tagen zurück. Kurz vor Montgomery wächst die Teilnehmerzahl auf über 25.000 Menschen an. Am 25. März erreicht der Marsch Montgomery. Dort hält Martin Luther King eine seiner berühmtesten Reden:
Meine lieben und treuen Freunde!
Unsere Körper sind müde und unsere Füße schmerzen ein wenig, aber heute, da ich vor Ihnen stehe und an diesen großen Marsch zurückdenke, kann ich sagen: unsere Füße sind müde, unsere Seelen aber sind ausgeruht und frisch. Wir haben uns in Bewegung gesetzt. Und keine Brandstiftung, kein Bombenanschlag, keine Misshandlungen oder Morde werden uns stoppen. Wir sind in Bewegung.
Lasst uns daher weiter gegen die Rassentrennung in der Wohnungspolitik vorgehen. Lasst uns weiter gegen getrennte Schulen marschieren und gegen Armut. Lasst uns zu den Wahlurnen schreiten, bis wir Männer in unsere Stadträte, in die Parlamente und in den Kongress entsenden, die sich nicht scheuen, Gerechtigkeit zu üben, Barmherzigkeit zu lieben und demütig zu wandeln vor ihrem Gott.
Heute liegt der Kampf in unseren Händen. Der Weg, der vor uns liegt, ist weder eben noch breit. Und doch müssen wir ihn gehen. Wenn wir uns heute Nachmittag verabschieden, dann lasst uns mehr denn je zuvor der Gewaltlosigkeit verpflichtet sein. Denn in vielen Gebieten von Mississippi und in vielen Gebieten von Louisiana steht uns noch eine Leidenszeit bevor. Ich muss Euch gestehen, dass noch Gefängniszellen auf uns warten und jede Menge dunkle und schwierige Momente.
Ich weiß, dass Ihr heute fragt: „Wie lange wird all dies dauern?“ Ich bin heute Nachmittag hier, um Euch zu sagen: Nicht lange, denn keine Lüge kann ewig leben! Wie lange? Nicht lange, denn wir werden ernten, was wir gesät haben. Wie lange? Nicht lange, denn die Moral im Universum ist auf unserer Seite und neigt sich der Gerechtigkeit zu. Wie lange? Nicht lange, denn meine Augen haben die Herrlichkeit des Herrn gesehen, wie er kommt und den Weinberg zertrampelt, in dem die Trauben des Zorns gelagert sind. Er hat die Trompeten erschallen lassen. Er erhebt die Herzen der Menschen vor seinen Richterstuhl. Schnell, meine Seele, gib ihm Antwort! Jubelt, meine Füße! Denn unser Gott kommt, unser Gott ist in Bewegung.
Wo habe ich das Gefühl, dass Gott gerade etwas in Bewegung setzt und Dinge zum Guten vorantreibt – in meinem Leben, vielleicht sogar in meinem Land oder in unserer Welt?
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi