Martin Luther King ("M.L.") wächst in der großen Gemeinde-Familie der Ebenezer-Baptist-Church auf
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Am 15. Januar 1929 wird Martin Luther King Jr als zweites Kind von Martin Luther King Senior und Alberta King geboren. Sein Vater leitet die einflussreiche Ebenezer Baptist Church und ist einer der bestbezahlten Schwarzen Prediger zu dieser Zeit. Die Familie lebt in einem kleinen Viertel Atlantas, das „Sweet Auburn“ genannt wird: ein vergleichsweise wohlhabendes, selbstbewusstes, unabhängiges Schwarzes Wohnviertel. Seine Einwohner besitzen Banken und Buchläden, Beerdigungsinstitute, Zeitungen und Nachtklubs. Der kleine Martin Luther King Jr, von allen nur M.L. genannt, wächst also in vergleichsweise sicheren und wohlhabenden Verhältnissen auf.
Vor allem aber wächst er in der großen Gemeinde-Familie der Ebenezer-Church auf. Dort trifft man sich fast täglich zu Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen und Versammlungen, man feiert gemeinsam, hilft sich gegenseitig und alle Kinder besuchen miteinander die Sonntagsschule. Über M.L.s (also Martin Luther King Jr.s) religiöse Sozialisation schreibt Biograf Jonathan Eig:
M. L. hörte seinen Vater von der Kanzel große Worte predigen – große Worte wie »von Sünden reinigen«, »Gnade«, »Vergebung« und »Nächstenliebe«. Er hörte, wie der Chor seiner Mutter große Worte in den Himmel erhob, und große Worte, die aus der Bibel vorgelesen wurden und sich in sein Gedächtnis brannten, Worte, die seinen Charakter formten und ihn Gott näherbrachten. (…) Sein Vater hielt dröhnende Predigten voll prophetischer Wut. Seine Mutter trug freudige Lieder vor, zu denen sie im Takt in die Hände klatschte. Es war Alberta King, (…) die von Natur aus Pazifistin war und ihrem Sohn beibrachte, dass man nicht zu kämpfen braucht, vor allem, wenn man auf spirituell überzeugten Wegen unterwegs ist. (…) Martin Luther King Jr. wuchs im Glauben an einen Gott der Erlösung, einen gerechten Gott, einen Gott der Gnade und der Wunder auf, ein persönlicher, ein nahbarer Gott, der vertrat, dass Schwarze Menschen bedeutend waren, egal was rassistische Weiße und Regierungsvorschriften meinten. Er wuchs in einer städtischen Kirche auf, die Gebete mit Aufrufen zum Handeln verknüpfte. Er wuchs in der Erkenntnis auf, dass Rassismus nicht nur falsch ist, sondern böse und die Seele zersetzend. Er wuchs mit Predigten und Liedern auf, die die Zuhörer zu Tränen rührten und in Ekstase versetzten, mit Predigten und Liedern, die zur Freiheit auf Erden und im Himmel aufriefen.“
Im Rückblick schätzte Martin Luther King besonders die Ideale und die Moral, die die Kirche ihn lehrte. Er schreibt:
Diese Ideale waren für mich real und wertvoll, und selbst in Situationen theologischer Zweifel konnte ich mich nie von ihnen abwenden. Auch wenn ich keine plötzliche Bekehrungserfahrung gemacht habe, war Religion für mich real und mit dem Leben verbunden. Tatsächlich ist das nicht zu trennen; Religion ist für mich Leben.
In der Stille komme ich mit Gott über meine persönliche religiöse Sozialisation ins Gespräch: wer oder was hat mich geistlich am stärksten geprägt? Ich danke Gott für die guten geistlichen Einflüsse in meinem Leben.
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi