Das Kalkül geht auf: der Polizeichef von Birmingham reagiert mit Gewalt auf die friedlichen Schwarzen Proteste.
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Nur einige wenige Menschen in Birmingham trotzen dem Terror, dem Unrecht und der Angst dort. Der Mutigste unter ihnen: Fred Shuttlesworth. Wieder und wieder demonstriert der schwarze Baptistenpfarrer gegen die Rassentrennung in der Stadt – und zahlt dafür einen hohen Preis. Achtmal ist er bisher im Gefängnis gewesen, das eigene Haus ist zerbombt, seine Kirche von einer Bombe schwer beschädigt. Mehrfach sind er, seine Frau und seine Kinder tätlich angegriffen und verletzt worden.
Wiederholt hat Shuttlesworth Martin Luther King und seine SCLC nach Birmingham eingeladen – nun nehmen diese die Einladung an. Und sie bereiten ihren Einsatz dort akribisch vor. Als Ziel der Kampagne fordern sie einige wenige, ausgewählte Dinge: darunter ein Ende der Rassentrennung in den Läden der Innenstadt, faire Jobs für Schwarze in eben diesen Läden und die Gründung eines gemischten Komitees, um die Diskussion über Integration fortzusetzen.
Das Mittel der Wahl: öffentliche Demonstrationen und der wirtschaftliche Boykott der weißen Geschäfte in der Innenstadt. Der Name für diesen Plan lautet „Project C“ (für „confrontation“). Denn das Kalkül ist von Anfang an, dass Bull Connor sich anders verhalten wird als der umsichtige, kluge Polizeichef von Albany. Bull Connor wird – so ist zu erwarten – mit großer Entschlossenheit und Brutalität gegen die Proteste vorgehen.
Und tatsächlich: nach einer kurzen, anfänglichen Phase der Zurückhaltung beginnt der Polizeichef von Birmingham Hunde gegen die Demonstranten einzusetzen. In Zeitungen im ganzen Land erscheint das Foto eines Polizeihunds, der an seiner Leine zerrt und auf einen am Boden liegenden Schwarzen losgehen will, über dem ein weißer Polizist mit Schlagstock steht.
Nun ist tatsächlich eine Bewegung im Gange. Mehr und mehr Freiwillige melden sich für die geplanten Demonstrationen. Und weil man dieses Mal – anders als zum Schluss in Albany – Gewalt auf Seiten der Demonstrierenden um jeden Preis verhindern will, durchlaufen alle Freiwilligen ein intensives Gewaltlosigkeits-Training. Darin werden sie in Spielszenen mit der rauen Sprache und körperlichen Attacken der Polizisten konfrontiert. Das Training ist bestanden, wenn es gelingt, beschimpft zu werden, ohne zu antworten und geschlagen zu werden ohne zurückzuschlagen. Zum Abschluss des Trainings unterzeichnen sie eine Selbstverpflichtung, in der Punkte wie diese stehen:
Ich werde jeden Tag über die Lehren und das Leben Jesu nachdenken
Ich werde nie vergessen, dass die gewaltlose Bewegung in Birmingham nicht den Sieg sucht, sondern Gerechtigkeit und Versöhnung.
Gott ist die Liebe. Aus diesem Grund werde ich im Geist der Liebe marschieren und sprechen.
Ich bin bereit, persönliche Wünsche und Ziele zu opfern, um allen Menschen zur Freiheit zu verschaffen.
Ich werde mich aller Gewalttätigkeit enthalten – sowohl der Gewalttätigkeit der Faust, wie auch der Gewalttätigkeit der Zunge und des Herzens.
Für welche meiner Herausforderungen und Konflikte würde ich mir ein Training wünschen? Die Möglichkeit, gute eigene Reaktionen einzuüben in einem geschützten Rahmen? In der Stille bitte ich Gott um seinen Beistand – und um sein Training.
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi