Das Montgomery, in das Martin Luther King und seine Frau Coretta 1954 ziehen, ist eine Hochburg der Rassentrennung und der Diskriminierung.
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Das Montgomery, in das Martin Luther King und seine Frau Coretta 1954 ziehen, ist eine Hochburg der Rassentrennung und der Diskriminierung. Von den etwa 120.000 Einwohnern sind knapp 40 Prozent Schwarz – und fast alle haben ihre Wurzeln in der Sklaverei. Vor nur einhundert Jahren lebten in dem Bundesstaat Alabama, zu dem Montgomery gehört, fast eine halbe Million Sklaven. Der Sklavenmarkt von Montgomery hatte sich zu einem der größten und wichtigsten des Landes entwickelt. Zehntausende versklavte Männer, Frauen und Kinder wurden im Zentrum von Montgomery ge- und verkauft und durch die Straßen der Stadt getrieben. Als die Südstaaten sich - um die Sklaven auf ihren riesigen Feldern behalten zu können - von der Union lossagten, wurde Montgomery zur ersten Hauptstadt der sog. Konföderierten im amerikanischen Bürgerkrieg.
In den Jahren nach dem verlorenen Bürgerkrieg zwangen viele zornige ehemalige Sklavenhalter, den Schwarzen, nun freien Männern und Frauen neue Formen der Unterordnung auf. 1901 verabschiedeten weiße Delegierte in Alabama eine neue Verfassung, die den Status schwarzer Menschen als zweitklassig zementierte: vorgeschrieben waren nach Hautfarbe getrennte Straßenbahnen, Toiletten, Kinos und Krankenhäuser. Das Recht zu wählen (und damit zur Teilhabe an politischer Macht) wurde durch allerlei Hindernisse und Schikanen im Grunde verunmöglicht: 1950 waren nur 813 der über 40.000 Schwarzen Einwohner von Montgomery als Wähler registriert. Im Volksmund wurden diese Gesetze „Jim-Crow-Gesetze“ genannt. Rosa Parks, zur Zeit von Martin Luther King Sekretärin der wichtigsten Schwarzen Bürgerrechtsorganisation NAACP in Montgomery schreibt in ihr Tagebuch:
Jim Crow, dieser Drahtseilakt von der Geburt bis zum Tod, fast vom ersten Moment des Bewusstseins bis zu unserem letzten Gedanken (...) ist ein größeres akrobatisches Kunststück. (…) Immer gibt es irgendeine Grenze, irgendeinen Zwang - color line, also Rassentrennung, Galgenstrick, Fesseln. Mir kommt es vor, als wären wir Marionetten in den Händen des weißen Mannes (...) und entweder funktionieren wir zu seiner Zufriedenheit oder wir tragen die Konsequenzen, wenn wir aus der Reihe tanzen.
In den 1950er Jahren jedoch tut sich etwas. Zum einen stehen die Weißen nicht mehr so geschlossen und selbstverständlich hinter der Rassendiskriminierung. Grund dafür ist, dass Schwarze und weiße Amerikaner im zweiten Weltkrieg gemeinsam gegen den brutalen Rassismus in Deutschland gekämpft haben und sich die Rassentrennung zuhause nun – zumindest für manche – falsch anfühlt. Dazu befinden sich die Vereinigten Staaten zunehmend in einem ideologischen Konflikt mit Russland um die Vorherrschaft in der Welt. In diesem Konflikt inszeniert sich Amerika als Vorkämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit. Viele Staaten nehmen die Rassentrennung in Amerika als Widerspruch wahr und äußern das auch.
Zum anderen organisieren sich viele Schwarze Bürgerinnen und Bürger immer mehr in Bürgerrechts-Vereinigungen wie der NAACP, um rechtlich und ideologisch gegen die Rassentrennung vorzugehen. Ein großer Erfolg ist im Mai 1954 – nur wenige Monate vor dem Beginn Martin Luther Kings als Pastor in Montgomery – die Entscheidung des obersten Gerichtshofs im Fall „Brown vs board“. Diese besagt, dass die im Süden praktizierte Rassentrennung im Bereich der Schulen illegal ist.
Sofort formiert sich hiergegen heftiger weißer Widerstand. Unter der Führung prominenter weißer Geschäftsleute, Angestellter und Regierungsbeamter gründen sich überall im Süden sogenannte „White citizen councils“, die mithilfe von Kampagnen und öffentlichem Druck versuchen, die Integration zu bekämpfen und Schwarze Mitbürger weiterhin kleinzuhalten und einzuschüchtern. Ein US-Senator aus Mississippi verkündigt öffentlich, dass der Süden der Vereinigten Staaten bundesstaatliche Anordnungen aus Washington zur Integration weder hinnehmen noch befolgen wird. Und mehrere Gouverneure des Südens erklären, sie würden öffentliche Schulen eher komplett abschaffen als die Integration zuzulassen.
Wo in Politik und Öffentlichkeit nehme ich zur Zeit Herzenshärte und ideologische Verbohrtheit wahr? In der Stille bitte ich Gott darum, dass er Augen öffnet und Herzen weich macht für das Wahre und das Gute.
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi