Am 4. April 1968 wird Martin Luther King in Memphis erschossen.
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Am 1. Februar 1968 werden zwei Schwarze Müllarbeiter in Memphis bei einem Arbeitsunfall von einer Müllpresse zerquetscht. Schon lange rumort es – aufgrund schlechter Bezahlung und gefährlichen Arbeitsbedingungen – unter den schwarzen Arbeitern in Memphis, dieser Unfall bringt das Fass zum Überlaufen. Mehr als 1.300 Müllarbeiter treten in den Streik und fordern bessere Arbeitsbedingungen und gleiche Bezahlung. Doch sie stoßen auf taube Ohren - wochenlang.
Am 18. März – nach mehrmaliger dringender Bitte – reist Martin Luther King nach Memphis. Vor mehr als 10.000 Menschen fordert er alle Schwarzen in Memphis auf, ihre Arbeit niederzulegen, bis die Stadt die Forderungen der Müllarbeiter erfüllt.
Zehn Tage später führt er einen Protestmarsch in Memphis an, der jedoch in Gewalt ausartet. Der Marsch endet im Chaos. Seinem Freund Stanley Levinson sagt er am nächsten Tag bei einem Telefonat:
Seien wir ehrlich: wir haben einen großen Rückschlag erlitten, was mein Image und meine Führungsqualitäten betrifft. Das wird viele Schwarze dazu bringen zu sagen: Martin Luther King ist am Ende seiner Kräfte. Schau in die Zeitungen. Ich schätze, es wird das Negativste sein, was du je über Martin Luther King gesehen haben wirst.
Um neues Vertrauen zu gewinnen, will Martin Luther King noch einmal nach Memphis zurückkehren und diesmal wieder einen friedlichen, gewaltfreien Protestmarsch anführen. Am 3. April landet sein Flugzeug in Memphis. Am Abend trifft er sich zuerst mit den Anführern einer der dortigen Schwarzen Jugendbanden und bittet diese beim anstehenden Protestmarsch auf Gewalt zu verzichten. Danach spricht er – trotz innerem Unwohlseins – im Mason Temple vor etwa 11.000 Menschen. Während draußen ein Gewitter tobt, spricht King frei und ohne Manuskript. Er spricht über die Notwendigkeit, für Gerechtigkeit einzustehen, aber auch über seine eigene Sterblichkeit. Er erzählt von diversen Todesdrohungen. Gegen Ende seiner Rede gerät er in eine Art Trance und ruft mit lauter Stimme und Schweißperlen auf der Stirn:
Ich weiß nicht, was als Nächstes passieren wird. Wir haben ein paar schwierige Tage vor uns. Aber das ist mir jetzt eigentlich egal, denn ich war bereits ganz oben. Und es macht mir nichts aus. Wie jeder andere möchte ich ein langes Leben führen ... Aber darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken. Ich will nur Gottes Willen ausführen. Und er hat mir erlaubt, nach ganz oben auf den Gipfel des Berges zu steigen. Ich habe hinübergeschaut – und das verheißene Land gesehen. Vielleicht gelange ich nicht mit euch dorthin. Aber ich möchte, dass ihr hier heute Abend wisst, dass wir, als ein Volk, in das verheißene Land gelangen werden! Also bin ich heute Abend glücklich! Ich mache mir um nichts Sorgen! Ich fürchte niemanden! Meine Augen haben die Herrlichkeit des Herrn gesehen!
Am Ende der Rede erwacht King wie aus einem Traum, wirkt erschöpft, aber auch erlöst. Wie immer findet er aber auch in dieser Nacht erst spät in den Schlaf.
Der nächste Tag, der 4. April 1968, vergeht mit Besprechungen und Planungen für den bevorstehenden Protestmarsch. Am Abend sind Ralph Abernathy und Martin Luther King bei einem Pfarrer in Memphis zum Essen eingeladen. Um kurz vor 18 Uhr tritt Martin Luther King frisch rasiert und mit Hemd und Krawatte auf den Balkon. Die Luft ist kühl und frisch. Ein paar seiner Kollegen stehen bereits auf dem Parkplatz. Ein paar Scherze fliegen hin und her, dann wendet sich Martin Luther King an den Saxophonisten und Bandleader für den späteren Abend. „Ich möchte, dass du den Song „Precious Lord, Take My Hand“ spielst!“, ruft er ihm über das Balkongeländer zu. Dann fällt ein einzelner Schuss. Eine Kugel trifft Martin Luther King im Gesicht und durchschlägt sein Genick. Seine Freunde stürmen zu ihm und rufen den Krankenwagen. Eine Stunde später stirbt Martin Luther King im St. Josephs Hospital in Memphis.
Noch in der Nacht explodiert in über 100 Städten der USA die Gewalt. Amerika brennt.
Am Donnerstag, den 9. April, findet in der Ebenezer Baptist Church in Atlanta die Trauerfeier statt. Sein engster Freund Ralph Abernathy leitet den Gottesdienst. Im Anschluss wird Martin Luther Kings Sarg von zwei Maultieren zum Friedhof gebracht, wo er neben seiner geliebten Großmutter beigesetzt wird. Mahalia Jackson singt dazu „Precious Lord, Take My Hand.“
Geliebter, kostbarer Herr, nimm meine Hand!
Leite mich, hilf mir aushalten und standhalten,
denn müde bin, schwach, erschöpft,
durch all den Sturm und durch die Nacht.
Führe du mich hin zum Licht.