Nach Jahren des Überlegens reift in Martin der Entschluss, Prediger werden zu wollen
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Im Sommer 1947 arbeitet Martin Luther King – wie schon zwei Jahre zuvor – zum Geldverdienen auf einer Tabakplantage im Norden der USA. Dort reift in ihm der Entschluss, wie sein Vater Prediger zu werden – eine Entscheidung, gegen die er sich viele Jahre lang gewehrt hat. Schon lange verspürte er in sich eine Berufung zum Dienst an der Gesellschaft im Allgemeinen und an der Schwarzen Community im Speziellen. Mehrere Jahre lang plante er, dieser Berufung als Arzt oder als Rechtsanwalt nachzukommen. Nun aber, nach zwei Jahren Morehouse-College, nach jeder Menge theologischen und philosophischen Studien und der Begegnung mit einigen eindrucksvollen Persönlichkeiten wie Dr. Benjamin Mays, die sozialkritisches Engagement, kluges Denken und leidenschaftlichen Glauben in ihrer Person verbinden, reift in ihm der Entschluss:
Ich will Prediger werden. Ja ich muss Prediger werden.
Jahre später beschreibt er dies so:
Meine Berufung in den Dienst der Kirche war weder dramatisch noch spektakulär. Sie kam weder durch eine wundersame Vision noch durch (…) eine plötzliche Erkenntnis. Vielmehr war es die Reaktion auf einen inneren Drang, der mich nach und nach überkam. Dieses innere Drängen drückte sich in dem Wunsch aus, Gott und den Menschen zu dienen (…). Zunächst wollte ich Arzt werden, dann wandte ich mich der Rechtswissenschaft zu. Aber als ich die Vorbereitungsphasen für diese beiden Berufe durchlief, spürte ich immer noch den unauslöschlichen Drang, Gott und den Menschen (…) zu dienen. Während meines Abschlussjahres am College beschloss ich schließlich, die Herausforderung anzunehmen und in den pastoralen Dienst zu treten. Ich erkannte, dass Gott einen solchen Ruf und eine solche Verantwortung auf meine Schultern gelegt hatte. Je mehr ich versuchte, ihr zu entkommen, desto frustrierter wurde ich.
Als er seinem Vater diese Neuigkeit mitteilt, setzt dieser begeistert sofort einen Termin für die erste Predigt seines Sohnes in Ebenezer fest. Als der große Tag gekommen ist, reichen die Sitzplätze in dem großen Kirchengebäude nicht aus.
Nie zuvor hatten wir so viele Menschen in diesem Saal. Mein Sohn war ein Zugpferd.
erinnert sich Daddy King später.
Jonathan Eig schreibt über die Anfänge des Predigens von Martin Luther King: „Als [der junge, gerade einmal 18-Jährige Martin Luther King] die Stufen zur Kanzel hinaufstieg, fiel Sonnenschein durch die bunten Kirchenfenster und spiegelte sich in den goldfarbenen Orgelpfeifen. M. L. [Martin Luther King] hatte jahrelang geübt, vor Spiegeln gestanden und Gesichtsausdrücke, die schneidenden Bewegungen seiner geöffneten Hände, die gereckte Brust und die Neigung seines Kopfes überprüft. Er und sein Freund Larry waren durch die Stadt gefahren, um sich Schwarze Pastoren anzuhören, Ausdrücke zu merken, zu vergleichen und nachzuahmen. (…) Zusammen hatten sie sogar noch emotionaleren Predigern als Daddy King gelauscht. Männern, die jauchzten, stöhnten und polterten, bis ihnen die Stimme versagte und ihr Hemd völlig durchgeschwitzt war. Sie hatten welche gehört, deren Vortrag von Sprechen über Skandieren zu Gesang wurde. Manche hatten die Predigt langsam und sorgfältig vorgelesen, andere über ihre Lieblingsthemen improvisiert. (…) Martin Luther King Jr. vereinte diese Elemente, um seinen eigenen Stil zu kreieren. Als Zeichen der Hoffnung und des Stolzes ließ er Verweise auf seine Bildung aufblitzen. Den Schmerz der armen Schwarzen Menschen machte er zu seinem eigenen. Obwohl er jung und schlank war, donnerte seine tiefe Stimme (…): es lagen Strenge und Wärme darin. (…) Er begann langsam und steigerte dann das Tempo. Aber selbst wenn er schneller wurde, seine Stimme zu einem Crescendo anschwoll, er sein Publikum mitriss, blieb er absolut kontrolliert. (…) Er fand schnell einen Draht zu seinen Zuhörern (…) und als er fertig war, erhob die Gemeinde sich, um zu feiern.“ (Eig, S. 90f.)
Verspüre auch ich eine Lebensberufung? Wie hat sie sich bei mir ereignet? In der Stille komme ich mit Gott darüber ins Gespräch.
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi