Nach 381 Tagen ist der Busboykott in Montgomery erfolgreich zu Ende gegangen. Der Kampf gegen Rassentrennung und Diskriminierung geht allerdings weiter.
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Nach 381 Tagen ist der Busboykott in Montgomery erfolgreich zu Ende gegangen. Der Kampf gegen Rassentrennung und Diskriminierung geht allerdings weiter.
Zum einen in Montgomery selbst. Das eigentliche Ziel des Protests war ja nicht der Sieg von Schwarz über Weiß, sondern ein neues, gleichberechtigtes, geschwisterliches Miteinander beider Seiten. Dementsprechend ruft Martin Luther King seinen Gefolgsleuten am Abend des erfolgreich beendeten Boykotts zu:
Dies ist der Zeitpunkt, an dem wir ruhige Würde und weise Zurückhaltung an den Tag legen müssen. Unsere Emotionen dürfen nicht überhand nehmen. Von keinem von uns darf Gewalt ausgehen. Wenn wir zu den Bussen zurückkehren, sollten wir liebevoll genug sein, um einen Feind in einen Freund zu verwandeln. Wir müssen jetzt vom Protest zur Versöhnung übergehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Gott in Montgomery am Werk ist. Lasst alle Menschen guten Willens, Schwarze wie Weiße, weiterhin mit ihm zusammenarbeiten.
Gleichzeitig spüren die Organisatoren des Busboykotts zusammen mit anderen Bürgerrechtlern aus dem ganzen Land, dass in dem Erfolg und der landes-, ja sogar weltweiten Berichterstattung eine Berufung von Gott liegt, die weit über Montgomery hinausgeht. Nur wenige Tage später gründen King und viele weitere Mitglieder bei einem Treffen in New Orleans offiziell die Southern Christian Leadership Conference (SCLC), mit Martin Luther King als Präsident. Das Motto der Vereinigung: »To Redeem the Soul of America« (die Seele der USA erlösen). Fast alle leitenden Männer sind Pastoren. Ganz oben auf der Agenda: Abschaffung der Rassentrennung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens im gesamten Süden der USA und eine Durchsetzung des Wahlrechts für Schwarze – für wirkliche politische Mitbestimmung und politische Macht.
Die beiden Hauptaufgaben für Martin Luther King in den nächsten Monaten und Jahren sind: zum einen quer durch das Land zu reisen und Unterstützung für die Bürgerrechtsbewegung zu gewinnen – moralisch wie finanziell. Allein 1957 (in dem Jahr nach dem Busboykott) legt er rund 125 000 Kilometer in Flugzeugen zurück und hält mehr als 200 Vorträge. Zum anderen geht es darum, Druck ausüben auf politisch Verantwortliche, in den Bereichen Integration und Gleichberechtigung dem geltenden Gesetz Geltung zu verschaffen und sich gegen die im Süden weiterhin fast allgegenwärtige Rassentrennung einzusetzen. In diese Kategorie gehört auch eine sogenannte „Prayer Pilgrimage“ nach Washington - sechs Jahre vor dem berühmten Marsch auf Washington im Jahr 1963. Über diese „Prayer Pilgrimage“ aus dem Jahr 1957 schreibt er in seiner Autobiografie:
An diesem Tag versammelten sich Tausende von Schwarzen und weißen Personen guten Willens aus dem ganzen Land am Lincoln Memorial und feierten einen etwa zweistündigen Gottesdienst. Das übergeordnete Ziel dieser Wallfahrt war es, das Gewissen der gesamten Nation für Rassengerechtigkeit zu wecken und an den Kongress zu appellieren, das Bürgerrechtsgesetz zu verabschieden, das von den Abgeordneten der Südstaaten in den Ausschüssen blockiert wurde. Wir waren in Washington, um den Männern an der Spitze unserer Regierung zu sagen, dass die Bürgerrechtsfrage keines von den flüchtigen, schnell wieder von der Tagesordnung verschwindenden innenpolitischen Themen ist, das von reaktionären Hütern des Status quo mit Füßen getreten werden kann.
Gibt es ein gesellschaftliches oder politisches Ziel, für das ich mich einsetze? In der Stille komme ich mit Gott über mein Engagement (oder mein Nicht-Engagement) ins Gespräch.
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi