Schwarze wie Weiße verlieren zunehmend Geduld und Verständnis füreinander. Die "Black Power"-Bewegung entsteht.
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Als Folge der Schwarzen Protestaktionen und Demonstrationen kommt es am 17. August 1966 zu einem Treffen mit dem Bürgermeister von Chicago und anderen politisch und wirtschaftlich wichtigen Männern der Stadt. Bürgermeister Daley drängt auf ein Ende der Protestzüge und der damit verbundenen Unruhen. Im Gegenzug erklärt er sich zu Zugeständnissen bereit – ohne sich jedoch auf ein konkretes „Wann“ und „Wie“ festlegen zu wollen. Weil es Kings tiefe Überzeugung ist, dass Menschen und Dinge sich nur dann dauerhaft zum Besseren wenden, wenn man ihnen mit gutem Willen und Wohlwollen begegnet, vertraut er den von Bürgermeister Daley vage in Aussicht gestellten Verbesserungen und Maßnahmen.
In den kommenden Monaten jedoch zeigt sich, dass den Absichtserklärung von Seiten der Stadt keinerlei konkrete Schritte folgen. Als die Menschen in den Gettos von Chicago dies merken, ist ihre Enttäuschung groß. „Martin Looser“ wird King von vielen genannt.
Überhaupt ändert sich in den Jahren 1966 und 1967 die Stimmung in vielen Teilen der Gesellschaft – sowohl in der Schwarzen Community wie auch in der weißen Öffentlichkeit. Aus Sicht vieler Weißer haben die Schwarzen nach Unterzeichnung des Bürgerrechtsgesetzes und der Reform des Wahlrechtsgesetzes die von ihnen so lange ersehnte Gleichberechtigung. Warum machen sie mit ihrem Protest immer weiter? Gibt es kein „genug“? Was wollen sie noch? Wieso zieht Martin Luther King auf einmal gegen die Armut und gegen den Krieg in Vietnam zu Felde? Will er nun auch noch den Kapitalismus abschaffen und Partei ergreifen für den Feind in Vietnam?
Und viele Schwarze haben endgültig keine Lust mehr auf Kompromisse, Warten und den Verzicht auf Gewalt. Die Weißen verstehen einfach nicht – und wollen nicht verstehen. „Black Power“ wird zur neuen Parole vieler Schwarzer. Gemeint ist ein neues Selbstbewusstsein der Schwarzen Bevölkerung und ein Streben nach mehr politischer, wirtschaftlicher und sozialer Macht für Schwarze Menschen – auch mithilfe von Gewalt. „Black Power“ lehnt die Zusammenarbeit mit Weißen strikt ab. Der ermordete Malcolm X wird genauso zur Ikone der Bewegung wie Muhammad Ali, der als einer der ersten Schwarzen Sportler offen die eigene Überlegenheit und den eigenen Stolz betont. Muhammad Alis „I am the greatest“ inspiriert viele Schwarze in den USA.
In der letzten Präsidialansprache seines Lebens, 1967, vor den Delegierten der Bürgerrechtsbewegung SCLC nimmt Martin Luther King zur „Black Power“ Bewegung und deren Anliegen auf seine eigene Art Stellung:
Zunächst einmal müssen wir ehrlich erkennen, wo wir aktuell stehen. Unsere Lage sieht aktuell so aus: von den guten Dingen im Leben haben wir Schwarzen nur etwa die Hälfte von dem, was die Weißen haben. Wir verdienen zum Beispiel im Schnitt nur halb so viel. Von den schlechten Dingen des Lebens haben wir dagegen doppelt so viele wie die Weißen. Es gibt bei uns doppelt so viele Arbeitslose, die Säuglingssterblichkeitsrate ist doppelt so hoch und es sterben doppelt so viele Schwarze Soldaten in Vietnam wie Weiße, im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung.
Das ist unsere Situation. Wie geht es nun von hier aus weiter?
Zunächst einmal müssen wir unsere Würde und unseren Wert massiv behaupten. Wir müssen ein unerschütterliches und majestätisches Wertebewusstsein entwickeln. Wir dürfen uns nicht länger dafür schämen, schwarz zu sein. Solange der Geist versklavt ist, kann der Körper niemals frei sein. Psychologische Freiheit, ein starkes Selbstwertgefühl, ist die mächtigste Waffe gegen die lange Nacht der körperlichen Sklaverei. Ja, wir müssen aufstehen und sagen: ‚Ich bin schwarz und ich bin schön‘!
Eine weitere grundlegende Herausforderung besteht darin, herauszufinden, wie wir unsere Stärke in Bezug auf wirtschaftliche und politische Macht organisieren können. Niemand kann leugnen, dass wir Schwarzen diese Art legitimer Macht dringend benötigen. In der Tat ist eines der größten Probleme, mit denen wir Schwarze konfrontiert sind, unser Mangel an Macht. Von den alten Plantagen im Süden bis zu den neueren Ghettos im Norden sind wir überwiegend sprach- und machtlos. Nun ist Macht, richtig verstanden, nichts anderes als die Fähigkeit, ein Ziel zu erreichen. Sie ist die erforderliche Stärke, um soziale, politische und wirtschaftliche Veränderungen herbeizuführen.
Wir haben heute eine Aufgabe, nämlich die einer gemeinsamen „heiligen Unzufriedenheit“. Lasst uns so lange unzufrieden sein, bis Slums auf den Schrotthaufen der Geschichte geworfen werden und jede Familie in einem anständigen, sauberen Zuhause lebt. Lasst uns so lange unzufrieden sein, bis die dunklen Tage der Rassentrennung an Schulen in ein helles Morgen der hochwertigen, integrierten Bildung verwandelt werden. Lasst uns so lange unzufrieden sein, bis Männer und Frauen, wie schwarz sie auch sein mögen, nach dem Inhalt ihres Charakters und nicht nach der Farbe ihrer Haut beurteilt werden. Lasst uns so lange unzufrieden sein, bis in jeder Hauptstadt ein Gouverneur regiert, der gerecht handelt, der Barmherzigkeit liebt und der demütig vor seinem Gott wandelt. Lasst uns so lange unzufrieden sein, bis von jedem Rathaus Gerechtigkeit fließt wie Wasser und Recht wie ein mächtiger Strom. Lasst uns so lange unzufrieden sein, bis zu dem Tag, an dem sich Löwe und Lamm zusammen niederlegen und jeder Mensch unter seinem eigenen Weinstock und Feigenbaum sitzt und niemand mehr Angst haben muss. Lasst uns unzufrieden sein bis zu dem Tag, an dem niemand mehr „White Power!“ rufen wird – an dem niemand mehr „Black Power!“ rufen wird – sondern an dem alle nur über Gottes Macht sprechen werden. Mit diesem Glauben werden wir in nicht allzu ferner Zukunft Vergangenheitsform singen können: "We have overcome - wir haben überwunden! Deep in my heart, I did believe: we would overcome!“
Manche Konflikte sind so aussichtslos, dass nur der Glaube hier noch zu hoffen vermag: das Vertrauen auf einen Gott, dem nichts unmöglich ist. In der Stille bringe ich solch einen aussichtslosen Konflikt vor Gott und lasse meinen Glauben hoffen.
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi