Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Am Sonntag, dem 15. September, zwei Wochen nach dem Marsch auf Washington, explodiert eine Bombe in der Sixteenth Avenue Baptist Church in Birmingham. In derselben Kirche, in der junge Männer und Frauen sich nur wenige Monate zuvor singend und betend auf die Demonstrationen vorbereitet haben, werden durch die Explosion vier Schwarze kleine Mädchen getötet und viele Gottesdienstbesucher schwer verletzt. Noch am selben Tag erschießen in derselben Stadt weiße Teenager einen dreizehnjährigen Afroamerikaner, der mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Als Martin Luther King davon erfährt, fliegt er umgehend nach Birmingham. Trauer und Verbitterung überkommen ihn. Die getöteten Mädchen stehen ihm genauso vor Augen wie das zersplitterte Kirchenfenster mit dem Angesicht Christi. Er fragt sich: Ist dies ein Zeichen, ein Symbol dafür, wie das Böse die Sache Jesu und seine Botschaft zerstört? Wenn Menschen derart bestialisch sind, lohnt dann der gute Kampf für die gute Sache? Gibt es überhaupt Hoffnung?
Gut zwei Monaten nach den Morden wird Präsident Kennedy, Verbündeter und mittlerweile fast so etwas wie ein Freund von Martin Luther King, in Dallas erschossen. Als King die Nachricht im Fernsehen hört, ruft er Coretta zu sich. Eine lange Zeit sitzen sie schweigend da. „Das wird mir auch passieren“, sagt er schließlich. Coretta hält die Hand ihres Mannes, will etwas Tröstendes, Ermutigendes sagen, doch es fehlen ihr die Worte. In ihren Memoiren schreibt sie:
Ich konnte nicht sagen „Es wird dir nicht passieren“. Ich spürte, dass er Recht hatte.
Am 29. Dezember 1963 kürt das TIME-Magazine Martin Luther King als ersten Schwarzen Menschen zum „Man of the year“. Doch der Redakteur, der King acht Tage lang besucht, begleitet und interviewt, erlebt einen gedrückten, müden und ernsten Freiheitskämpfer, dem die ständigen Todesdrohungen und rassistischen Attacken überall im Land auf der Seele lasten und der nachts gerade einmal vier Stunden schlafen kann. Der Bericht zitiert Martin Luther King mit den Worten:
Die Qualität, nicht die Länge des Lebens ist wichtig. Wenn man in einer Bewegung umkommt, die die Seele einer Nation retten soll, dann könnte kein anderer Tod erlösender sein.
Auch sein Freund Harry Belafonte erlebt Martin Luther King als belastet von Todesahnungen und dem Gefühl, all den Ruhm, die Aufmerksamkeit und die Anerkennung nicht verdient zu haben.
Hinzu kommen in den folgenden Monaten Streitigkeiten und Uneinigkeiten im Führungszirkel von Kings Bürgerrechtsbewegung SCLC und fast der finanzielle Bankrott. Immer mehr Schwarzen im Land gehen die Veränderungen zu langsam. Und die Gegenseite wird immer stärker: im Laufe des Jahres 1964 gewinnen einige prominente Verteidiger der Rassentrennung in der Politik immer mehr an Rückhalt und Zustimmung in der weißen Bevölkerung.
Gibt es etwas, was mir auf der Seele lastet und mich bedrückt? In der Stille bringe ich dies zu Gott.
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi