Mitten in einer Phase tiefer Erschöpfung erreicht Martin Luther King die Nachricht, dass er den Friedensnobelpreis erhalten wird.
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Als Martin Luther King im Oktober 1964 nach Atlanta, also nach Hause zurückkehrt, ist er einem Zusammenbruch nahe. All das rastlose Leben, der wenige Schlaf und die Rückschläge. Dazu all die eigenen und fremden Erwartungen. An jedem Abend, bei jedem Auftritt verspürt er den Druck, eine neue „I have a dream“-Rede zu halten. An jedem Abend folgt auf die Reden irgendwo ein offizielles Abendessen mit Lächeln, Smalltalk und allen möglichen Bitten und Problemen, die an ihn herangetragen werden. Abend für Abend dankt Martin Luther King nicht nur Unterstützern und Anhängern, sondern auch Köchinnen und Hilfskellnern. Er schüttelt Hände, schreibt Autogramme und posiert für Erinnerungsfotos. Schließlich, im Hotelzimmer angekommen (fast jeden Abend ist es ein anderes Hotelzimmer), versucht er mithilfe von Witzen und Wein (oder Gin) all den Druck und das eigene Bedeutend-Sein abzulegen und irgendwie einen inneren Zustand zu erreichen, in dem er wenigstens für ein paar kurze Stunden Schlaf findet. Sein zunehmendes Übergewicht führt zu Bluthochdruck. Immer wieder verfällt er in längere Phasen von Melancholie, Erschöpfung und Depression. Er denkt offen darüber nach, sich zur Ruhe zu setzen und einem anderen Anführer das Feld zu überlassen. Im Kreis seiner Freunde und Familie äußert sich Martin Luther King während dieser Phasen pessimistisch, manchmal apokalyptisch über die Zukunft.
Völlig erschöpft, und dennoch nicht in der Lage zu schlafen, geht Martin Luther King am 13. Oktober 1964 in die Klinik, wo er Schlaftabletten bekommt und schließlich einschläft. Am nächsten Morgen erhält er von seiner Frau einen Anruf mit der Info: „Du wirst den Friedensnobelpreis erhalten“.
Diese Ehrung gibt ihm – mitten in seinem depressiven Erschöpfungszustand – Auftrieb und neue Hoffnung für die Zukunft. Denn sie weitet seinen Blick über Amerika hinaus. Über den Besuch in Oslo, knapp zwei Monate später, schreibt er:
Die Reise nach Oslo anlässlich der Verleihung des Nobelpreises machte mich sehr glücklich. Die Reaktion auf unsere Sache in London, Stockholm und Paris sowie in Oslo übertraf selbst meine kühnsten Erwartungen. Diese großen Hauptstädte der Welt betrachteten den Rassismus in unserer Nation mit Entsetzen und Abscheu. (…) Der Friedensnobelpreis verlieh unserem Kampf für Bürgerrechte eine neue Dimension. (…) Die Nationen Nordeuropas hatten sich stolz unserem Kampf angeschlossen und den Rasse-Mythos auf der ganzen Welt in Frage gestellt. Ich erkannte: Nordeuropa, Afrika und Lateinamerika zeigten sich alle bereit, das Problem des Rassismus in der Welt anzugehen. Ich spürte: dies war der Ausgangspunkt für eine friedlichere Welt.
Auch wenn es aktuell schwerfällt, neue Hoffnung zu gewinnen aus den Entwicklungen in der großen weiten Welt: was macht mir aktuell Hoffnung in der Welt? Wo erkenne ich gute Entwicklungen?
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi