Martin Luther King stößt auf immer mehr Ablehnung, Unverständnis, Schwierigkeiten und Desinteresse.
Herzlich Willkommen zu Lebensliturgien, Staffel 8, Gerechtigkeit ströme wie Wasser. In dieser Staffel begegnen wir dem Leben und den Worten von Martin Luther King: gewaltloser Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler, Friedensnobelpreisträger und Pastor. Martin Luther King hatte ein besonderes Gespür für Gottes gerechtigkeitsliebendes Herz, eine klare Berufung von Gott und: er hatte den Mut, sich mit unermüdlicher Ausdauer für Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde aller Menschen einzusetzen – koste es, was es wolle. Möge Gott uns mit seinem guten Geist leiten.
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich sammle meine Gedanken und atme langsam und bewusst.
Gewiss: Gott fordert eine ganze Menge, ruft uns ins Tun des Gerechten.
Davor aber beschenkt er uns. Lässt uns ruhen. Und rüstet uns aus mit seinem Geist. In der Stille bete ich: „Komm, Heiliger Geist.“
Wir hören Worte aus Jesaja 58, Psalm 34 und Lukas 6:
Gott spricht: Ein frommes Leben, das mir gefällt, sieht so aus: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit! Knotet alle Jochstricke auf! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Lasst ab vom Bösen und tut Gutes; sucht Frieden und jagt ihm nach! Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen.
Wenn Ihr das tut, wird eure Gerechtigkeit vor euch hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird euren Zug beschließen. Dann wird euer Licht wie die Morgenröte aufstrahlen, und eure Wunden werden schnell heilen. Dann werdet Ihr rufen und der HERR wird antworten: ›Siehe, hier bin ich.‹ Dann wird der Herr euch immerdar führen und Ihr werdet sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Quelle, die niemals versiegt.
Im Jahr 1964 wurde Martin Luther King in einer Umfrage von seinen Landsleuten auf den vierten Platz der meistbewunderten Männer der Welt gewählt. Im Jahr 1965 rutschte er ganz leicht nach hinten, auf Platz sechs. Nun, in den Jahren 1966 und 1967, ist Martin Luther King auf keiner dieser Listen mehr zu finden. Stattdessen geben mehr als 60 Prozent der Befragten an, dass sie King negativ einschätzen.
Am 19. September 1966 scheitert Präsident Johnson mit dem Versuch einer Erweiterung des „Civil Rights Act“ um das sog. „Fair Housing“, das die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt beenden und eine Durchmischung von weißer und schwarzer Bevölkerung fördern soll. Der Gesetzesentwurf bekommt nicht genügend Stimmen im US-Kongress, zudem nutzen seine Gegner den Filibuster (also die Taktik endloser Reden), um eine Abstimmung zu verhindern. Es wird klar: für das weitere Vorantreiben von Gleichberechtigung und Integration gibt es keine demokratische Mehrheit mehr im Land.
Im Anschluss an dieses Scheitern kommen die Berater von Präsident Johnson zu dem Schluss, dass die Zeit vorbei ist für große und kühne Programme zugunsten der Schwarzen Bevölkerung. Auch Präsident Johnson ist frustriert, hinzu kommt sein wachsendes Misstrauen Martin Luther King gegenüber, der immer stärker den Kapitalismus und den Militarismus Amerikas anprangert.
Auch in der eigenen Organisation, im SCLC, wächst die Ermüdung. Vielen der Geistlichen fällt es schwer, Kings Haltung gegen den Krieg in Vietnam zu unterstützen und gleichzeitig Trauerfeiern für gefallene Soldaten abzuhalten. Die New York Times druckt auf der Titelseite einen Artikel über die Bürgerrechtsbewegung. Darin analysiert sie, dass die Bürgerrechtsbewegung in Auflösung begriffen ist. Die weißen Liberalen seien zu sehr mit dem Krieg in Vietnam beschäftigt. Die weißen Gemäßigten stünden der Not ihrer Schwarzen Landsleute mittlerweile apathisch oder aufgrund der neuen Black Power Bewegung und der vielen gewaltsamen Aufstände in den Gettos sogar feindselig gegenüber. Und junge, für Veränderung und Rebellion offene Menschen würden sich stärker der Black-Power-Bewegung zuwenden und der Gewalt als einer reinigenden Kraft.
Seit Montgomery ist Martin Luther King nicht müde geworden, seinen Landsleuten das Heraufziehen eines neuen, besseren Amerika zu verheißen. Doch mehr und mehr US-Amerikaner zweifeln daran, dass dies jemals Wirklichkeit wird. Gab es vor wenigen Jahren noch eine Aufbruchstimmung im Land mit der Hoffnung auf Fortschritt und Veränderung der Verhältnisse zum Guten, herrscht nun eine lähmende, toxische Atmosphäre von Enttäuschung, Misstrauen und gegenseitiger Geringschätzung.
Im Februar 1967 veröffentlicht die New York Times eine weitere Titelgeschichte, in der es heißt, die Bürgerrechtsbewegung sei kollabiert und befinde sich in einem letzten Kampf ums Überleben. Außenbüros seien in den letzten Monaten aufgegeben worden, die Demonstrationen auf den Straßen erloschen und die Spenden für den SCLC im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent zurückgegangen. „Das ist keine einfache Zeit für mich“, sagt King in einer Rede in Chicago.
Was ihm dennoch die Kraft zum Weitermachen gibt? In einer Predigt aus dem Jahr 1967 erklärt er dies so:
Ich erinnere mich an ein Erlebnis in Montgomery, Alabama, das ich gerne mit Euch teilen möchte. Als wir uns mitten im Busboykott befanden, hatten wir eine wunderbare alte Dame, die wir liebevoll Schwester Pollard nannten. Sie war eine wunderbare Frau, etwa zweiundsiebzig Jahre alt, und arbeitete in diesem Alter immer noch. Während des Boykotts ging sie jeden Tag zu Fuß zur Arbeit und wieder nach Hause.
Ich erinnere mich in dieser Zeit an eine sehr schwierige Woche, die ich durchgemacht hatte. In der Nacht zuvor waren den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch Drohanrufe eingegangen. Ich begann zu schwanken, innerlich schwach zu werden und meinen Mut zu verlieren. An jenem Montagabend ging ich sehr entmutigt und ein wenig ängstlich zu unserer wöchentlichen Massenversammlung. Ich stand an diesem Abend auf, um meine Rede zu halten, aber die Worte kamen ohne Kraft und ohne Stärke aus mir heraus. Schwester Pollard kam nach der Versammlung auf mich zu und sagte: „Junge, was ist los mit dir?“ Sie sagte: „Du hast heute Abend nicht stark genug gesprochen.“ Und ich sagte: “Es ist alles in Ordnung, Schwester Pollard, mir geht es gut.“ Sie sagte: „Mir kannst du nichts vormachen. Mit dir stimmt etwas nicht.“ Ich sagte: „Alles wird gut, Schwester Pollard.“ Daraufhin sagte sie schließlich: “Lass mich dir noch einmal etwas sagen, ich möchte, dass du es diesmal hörst. Ich habe dir doch gesagt, dass wir bei dir sind. Und selbst wenn wir nicht bei dir sind, so ist doch der Herr bei dir.“ Und sie schloss mit den Worten: „Der Herr wird sich um dich kümmern.“
Seit diesem Tag habe ich viele Dinge gesehen und erlebt: ich war in mehr als achtzehn Gefängniszellen, bin einmal fast erstochen worden, unser Haus wurde dreimal bombardiert und ich bekomme jeden Tag Todesdrohungen. Seitdem habe ich viele frustrierende und verwirrende Nächte erlebt. Aber immer wieder höre ich die Worte von Schwester Pollard: „Gott wird sich um dich kümmern.“
„Gott wird sich um dich kümmern“ – in der Stille lasse ich diese Worte auf mich und mein aktuelles Leben wirken.
Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens und deiner Gerechtigkeit,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.
nach Franz von Assisi