Wie kommt es zu der oft besonderen Gotteserfahrung in der Natur?
Herzlich Willkommen zu „Lebensliturgien für den Alltag“. Mithilfe der LebensLiturgien wollen wir uns mit Gott verbinden und uns von seinem Geist in die Freiheit führen lassen – in die Freiheit anders zu leben: einfacher, achtsamer, leichter.
Jede LebensLiturgie beginnt und endet mit Gebeten, die immer gleichbleiben, Bibeltext und Impulse in der Mitte wechseln. Am intensivsten wirken die LebensLiturgien, wenn sie in Ruhe angehört werden. Und jetzt: viel Freude damit!
Zu Beginn meines Betens lege ich zur Seite, was mich beschäftigt und lasse es ruhig werden in mir.
Ich atme langsam und bewusst.
Und sammle meine Gedanken.
Herr, du bist hier. Jetzt. In diesem Moment. Und schaust mich liebevoll an.
„Lobe den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr groß:
in Hoheit und Pracht bist du gekleidet.
Licht ist dein Kleid, das du anhast.
Du breitest den Himmel aus wie ein Zelt.
Du lässest Brunnen quellen in den Tälern, dass alle Tiere des Feldes trinken.
Darüber sitzen die Vögel des Himmels und singen in den Zweigen.
Du tränkst die Berge von oben her, und machst das Land voll Früchte, die du schaffest.“aus Psalm 104
Herr, unser Gott! Die Welt ist dein –
in all ihrer Vielfalt und mit all ihren Wundern.
Lob sei dir und Dank dafür!
Auch ich bin dein.
So bitte ich: erfülle und leite mich mit deinem Heiligen Geist,
dass ich die Schönheit deiner Schöpfung wahrnehme
und auf eine Weise lebe,
die deine Welt bewahrt
und weltweit zum Segen wird für viele.
Amen
In der christlichen Theologie herrscht beinahe panikartige Furcht davor, die Natur als etwas Göttliches zu beschreiben. Und tatsächlich stellen schon die beiden Schöpfungserzählungen zu Beginn der Bibel ausdrücklich klar: Gott ist nicht Natur, sondern er erschafft sie. Gott ist und bleibt größer als die Natur. Gott geht in der Natur nicht einfach auf.
Und doch erfahren unzählige Menschen Gottes Gegenwart auf besondere Weise in der Natur. Besonders Mystiker erleben dies intensiv. Wie kann das sein?
Papst Franziskus schreibt:
„Es ist die innige Verbindung, die zwischen Gott und allen Wesen besteht, die der Mystiker als göttlich erfährt.“
LS 234
Noch einmal:
„Es ist die innige Verbindung, die zwischen Gott und allen Wesen besteht, die der Mystiker als göttlich erfährt.“
LS 234
Ich fürchte, dass genau diese innige Verbindung Gottes zu allen Wesen bei vielen von uns aus dem christlichen Bewusstsein gerutscht ist.
Wie ist das bei mir? Sehe ich eine Verbindung zwischen einer erschlagenen Fliege oder einer zertretenen Ameise und Gott? Fühlt Gott etwas, wenn ein Eichhörnchen überfahren wird? In der Stille komme ich mit Gott darüber ins Gespräch.
Papst Franziskus schreibt:
„Das Universum entfaltet sich in Gott, der es ganz und gar erfüllt. So liegt also Mystik in einem Blütenblatt, im morgendlichen Tau, im Gesicht der Armen.“
Und dann zitiert Papst Franziskus einen islamischen Mystiker aus dem 16. Jahrhundert. Dieser schreibt:
„Es liegt ein feines Geheimnis in jeder Bewegung in jedem Laut dieser Welt. Die Eingeweihten gelangen dahin zu erfassen, was der wehende Wind, die sich biegenden Bäume, das rauschende Wasser, die summenden Fliegen, die knarrenden Türen, der Gesang der Vögel, der Klang der Saiten oder der Flöten, der Seufzer der Kranken oder das Stöhnen der Betrübten sagen.“
LS 232
Ist das schon zu viel Gott in der Natur? Ist das zu mystisch?
Ich denke nein. Denn alles Geschaffene hat Anteil an der Wirklichkeit Gottes, des Schöpfers. Die Geschöpfe selbst sind zwar nicht göttlich, aber sie sind kraftvolle Zeichen, Gleichnisse Gottes. Sie lassen etwas sichtbar und erlebbar werden von der Wirklichkeit Gottes. Sie sind kleine Wörter Gottes an uns, kleine Anreden.
Wann habe ich das letzte Mal ein solches Wort Gottes an mich in der Natur gehört oder verspürt? Wann habe ich das letzte Mal Gott in der Natur besonders intensiv erlebt?
Herr, mein Gott!
Gib, dass ich heute deine Welt betrachte mit Augen, die voller Liebe sind.
Schenke mir die Bereitschaft, den Menschen um mich herum
und deiner Schöpfung mit Hingabe zu dienen
und alles Gute, das du in sie hineingelegt hast, zu entfalten und zu bewahren.
Bewirke, o Herr, dass ich so voller Freude und Güte bin,
dass alle, die mir begegnen,
sowohl deine Gegenwart, als auch deine Liebe spüren.
Bekleide mich mit deiner Schönheit,
damit ich dich im Verlaufe dieses Tages offenbare.
Ehre sei dir, Vater, dir Sohn, und die Heiligem Geist, wie es war im Anfang, so auch jetzt und dann allezeit und in Ewigkeit. Amen.