Der Garten Eden in der biblischen Schöpfungserzählung zeugt davon, dass der Mensch zur gesunden Entfaltung sowohl Weite als auch Grenzen benötigt.
Herzlich Willkommen zu „Lebensliturgien für den Alltag“. Mithilfe der LebensLiturgien wollen wir uns mit Gott verbinden und uns von seinem Geist in die Freiheit führen lassen – in die Freiheit anders zu leben: einfacher, achtsamer, leichter.
Jede LebensLiturgie beginnt und endet mit Gebeten, die immer gleichbleiben, Bibeltext und Impulse in der Mitte wechseln. Am intensivsten wirken die LebensLiturgien, wenn sie in Ruhe angehört werden. Und jetzt: viel Freude damit!
Zu Beginn meines Betens lasse ich es ruhig werden in mir.
Ich atme langsam und bewusst.
Und sammle meine Gedanken.
Herr, du bist hier. Jetzt. In diesem Moment. Und schaust mich liebevoll an.
„Lobe den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr groß:
in Hoheit und Pracht bist du gekleidet.
Licht ist dein Kleid, das du anhast.
Du breitest den Himmel aus wie ein Zelt.
Du lässest Brunnen quellen in den Tälern, dass alle Tiere des Feldes trinken.
Darüber sitzen die Vögel des Himmels und singen in den Zweigen.
Du tränkst die Berge von oben her, und machst das Land voll Früchte, die du schaffest.“aus Psalm 104
Herr, unser Gott! Die Welt ist dein –
in all ihrer Vielfalt und mit all ihren Wundern.
Lob sei dir und Dank dafür!
Auch ich bin dein.
So bitte ich: erfülle und leite mich mit deinem Heiligen Geist,
dass ich die Schönheit deiner Schöpfung wahrnehme
und auf eine Weise lebe,
die deine Welt bewahrt
und weltweit zum Segen wird für viele.
Amen.
Ich lese gerade die neu erschienene Biografie von Barack Obama „Ein verheißenes Land“. Sein allererstes Kapitel beginnt Obama erstaunlicherweise mit einer Schilderung des Säulengangs des Weißen Hauses und des daran angrenzenden Rosengartens: „Wie schön der Garten aussah! Die Schatten spendenden Magnolien, die in jeder Ecke emporragten. Die dichten, üppig grünen Hecken. Die gestutzten Apfelbäume. Und die Blumen, die für eine beständige Explosion von Farben sorgten. Im Frühling drängten sich die Tulpen, ihre Köpfe in Richtung Sonne erhoben, im Sommer Vanilleblumen, Geranien und Lilien, im Herbst Chrysanthemen, Astern und Wildblumen. Und immer ein paar Rosen.“
Auch die biblische Schöpfungserzählung erzählt gleich zu Beginn von einem Garten:
„Und Jahwe-Gott pflanzte einen Garten in Eden im Osten. Und er setzte den Menschen dorthin, den er geformt hatte. Und Jahwe-Gott ließ aus der Erde emporwachsen vielerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen.“
Gen 2, 8f.
Das Wort „Garten“ kommt in der sogenannten zweiten Schöpfungserzählung erstaunlich häufig vor. Nach „Jahwe-Gott“ und „Adam“ ist es das dritthäufigste Wort. Dass Gott dem Menschen einen Garten schafft, verrät viel – sowohl über Gott als auch über uns Menschen. Zum einen über Gott.
In der vorletzten Folge haben wir uns vor Augen gemalt, mit welcher Zärtlichkeit und Kunstfertigkeit Gott uns Menschen erschaffen hat und wie er uns – beim Einhauchen seines Atems – ganz nahe war. Das liebevolle Anlegen eines Gartens zeigt, dass Gott auch nach Erschaffung des Menschen sein Interesse an ihm nicht verloren hat. Im Gegenteil: Gott bemüht sich zutiefst um ihn. Er schafft nicht nur den Menschen selbst, sondern er erschafft ihm auch Lebensraum: einen Raum zum Leben, weit und üppig und schön. Aber zugleich nicht grenzenlos, mit guten, schützenden Grenzen. Denn wir Menschen brauchen beides: Weite und Grenzen. Möglichkeiten zur Entfaltung und einen Rahmen.
In der gut einminütigen Stille betrachte ich mein Leben: wo erlebe ich mein Leben als einen weiten Raum, mit vielen Möglichkeiten der Entfaltung? Und wo erlebe ich Grenzen?
Dass Gott uns Menschen zu Beginn einen Garten schafft, verrät also auch etwas über uns Menschen. Nämlich: dass wir uns immer dann gesund und gut entwickeln, wenn wir beides haben: Weite und Grenzen. Möglichkeiten zur Entfaltung und einen Rahmen. Auf Abwege geraten wir Menschen – sowohl als Einzelne, wie auch als Gesellschaft – immer dann, wenn wir entweder ängstlich vor der Weite des Lebens, vor den Möglichkeiten der Entfaltung zurückschrecken oder gierig über gute, natürliche Grenzen hinwegtrampeln. Die ökologischen Krisen unserer Zeit sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir als Gesellschaft viele gute, natürliche Grenzen weit überschritten haben.
In der Stille komme ich mit Gott darüber ins Gespräch, welche natürlichen Grenzen ich gerne überschreite oder überschreiten würde …
Herr, mein Gott!
Gib, dass ich heute deine Welt betrachte mit Augen, die voller Liebe sind.
Schenke mir die Bereitschaft, den Menschen um mich herum
und deiner Schöpfung mit Hingabe zu dienen
und alles Gute, das du in sie hineingelegt hast, zu entfalten und zu bewahren.
Bewirke, o Herr, dass ich so voller Freude und Güte bin,
dass alle, die mir begegnen,
sowohl deine Gegenwart, als auch deine Liebe spüren.
Bekleide mich mit deiner Schönheit,
damit ich dich im Verlaufe dieses Tages offenbare.
Ehre sei dir, Vater, dir Sohn, und die Heiligem Geist, wie es war im Anfang, so auch jetzt und dann allezeit und in Ewigkeit. Amen.